Wiener Ärzte drohen mit Streik

Was jetzt? Ärztekammerpräsident Szekeres will neu verhandeln, für Gesundheitsstadträtin Wehsely liegt der Ball nun bei Gewerkschaftsboss Meidlinger (v. links).
87 Prozent lehnen neues Arbeitszeitmodell ab. Stadträtin Wehsely will vorerst nicht verhandeln.

Die Ablehnung ist eindeutig: 87,44 Prozent der Wiener Spitalsärzte stimmten gegen das neue Arbeitszeitmodell im KAV. Seitdem ist in der Wiener Ärzteschaft Feuer am Dach.

Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres hat das Arbeitszeitmodell zwar mit der Stadt verhandelt und unterschrieben. Nun erklärt er seine Unterschrift für ungültig. "Ich habe nie zugestimmt, Personal abzubauen, bevor die Rahmenbedingungen angepasst wurden", sagt Szekeres am Montag. Der Kammerchef selbst hatte sich erst in einer vorwöchigen Kundgebung von KAV-Medizinern Buhrufe anhören müssen. Einen Rücktritt schließt Szekeres dennoch aus: "Dafür sehe ich gar keinen Grund." Tatsächlich sind in der Vereinbarung mit der Stadt Rahmenbedingungen, wie die Reduktion der Leistung nach 22 Uhr, die Übernahme von Arbeiten durch Pflegepersonal oder der Ausbau des Ärztefunkdienstes angeführt.

Wiener Ärzte drohen mit Streik
Verhärtete Fronten: Die Ärzte stimmten zu fast 90 Prozent gegen das neue Arbeitszeitmodell, die Führung im KAV reagiert mit Maulkorberlässen samt Entlassungsdrohungen
Auf die Palme brachte die Ärzte allerdings der geplante Abbau von 382 Ärzteposten. Der KAV habe noch "nicht einmal im Ansatz begonnen", die vereinbarten Strukturmaßnahmen durchzuführen, kritisiert Szekeres. Stattdessen sei nur überlegt worden, wo und wie man Personal einsparen könne. "Es ist peinlich, dass die Führung des KAV nicht weiß, wie viel Personal es in den Abteilungen gibt", poltert Szekeres und fordert Neuverhandlungen.

Abfuhr

Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) erteilt dem umgehend eine Abfuhr. "Ich halte Neuverhandlungen für nicht sinnvoll", sagt Wehsely. An der Vorgehensweise von Szekeres lässt die Gesundheitsstadträtin kein gutes Haar: "Es widerspricht allen Erfahrungen in der Sozialpartnerschaft, dass man sich nicht mehr auf Unterschriften verlassen kann." Sie sieht nun auch die Gewerkschaft am Zug, die allerdings erst am Donnerstag über weitere Maßnahmen berät.

Dass für Wehsely Nachverhandlungen partout nicht infrage kommen, hält Gernot Rainer, Chef der neuen Ärztegewerkschaft Asklepios, für einen realpolitischen Fehler. "Das ist ein Schlag ins Gesicht." Er will nun ebenfalls an den Verhandlungen teilnehmen und stellt eine neuerliche Protestveranstaltung in Aussicht. "Wenn diese ungehört bleibt – und das Risiko ist leider groß – dann wird es mit Sicherheit zu Streiks kommen", warnt Rainer.

Auch die Ärztekammer hat für Donnerstag eine außerordentliche Kuriensitzung einberufen. Dabei könnten weitere Protestmaßnahmen beschlossen werden, heißt es aus Kammer-Kreisen. Das Wort Streik wollte man dort aber (noch) nicht in den Mund nehmen.

"Wenn es die Stadtpolitik nicht schafft, das Vertrauen wiederherzustellen, dann werden viele Ärzte schneller gehen, als Stadträtin Wehsely Stellen abbauen kann", ortet auch Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer Ärger in der Ärzteschaft und schließt Streiks nicht aus. Die Konsequenz? Durch die höhere Personalfluktuation wird laut Pichlbauer das Know-how gesenkt, was zu einer schlechteren Versorgung der Patienten führe.

9 von 10 Ärzten stimmten gegen das neue Arbeitszeitmodell und lösten so ein Erdbeben im Wiener Spitalswesen aus. Jahrelang funktionierte die Partnerschaft zwischen der roten Gesundheitsstadträtin, dem roten Ärztekammerpräsidenten und der roten Gewerkschaft reibungslos. Nun haben alle drei verloren. Stadträtin Sonja Wehsely, weil sie nach langen Verhandlungen keine Einigung vorweisen kann.

Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres weht trotz seiner Kehrtwende vom Arbeitszeitmodell (das er mitverhandelt hat) eisiger Gegenwind ins Gesicht. Und auch von Christian Meidlinger, Chef der Gemeindebediensteten-Gewerkschaft, fühlen sich die aufgebrachten Ärzte nicht vertreten. Alle drei müssen schleunigst an den Verhandlungstisch zurück. Sonst drohen Streiks, und das im Wahljahr.

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