Mountainbiker fordern Freigabe der Forststraßen

Bei der Demo vor dem Parlament wurde Mountainbiker Koch symbolisch angehalten.
Protest auf zwei Rädern vor dem Parlament: Sportler wollen legal im Wald unterwegs sein.

„Dieser Aufwand, mitten im Wald Securitys zu positionieren, ist schon extrem“, sagt Martin Koch. Der 55-jährige Lehrer aus Leoben war Anfang April beim Mountainbiken auf einer Forststraße von einem Forstaufseher und zwei Sicherheitsleuten aufgehalten worden. Die alarmierte Polizei nahm seine Personalien auf. Später flatterte Koch eine Unterlassungsaufforderung samt Klagsdrohung wegen Besitzstörung ins Haus. 360 Euro wurden für das Einschreiten samt Anwaltskosten verlangt. Koch war – wie er selbst zugibt – verbotenerweise auf der Forststraße unterwegs, „doch außer einer winzigen Strecke rund um Leoben ist Mountainbiken überall verboten“.

Der Waldeigentümer, die Leobner Realgemeinschaft, an der auch die Gemeinde Anteile besitzt, argumentiert, sie habe "Akzente" setzen müssen. "Wir waren immer relativ großzügig, haben die Radler freundlich auf das Verbot hingewiesen. Die Mitarbeiter sind aber oft blöd und aggressiv angeredet worden", sagt Anwalt Michael Augustin.

Das Planquadrat im sogenannten "Bürgerwald" bei Leoben ist der aktuellste Vorfall im Streit rund um die Freigabe der Forststraßen für Mountainbiker. Seit Jahren fordern Radfahrer und Vereine wie die Naturfreunde eine Änderung des Forstgesetzes. Derzeit dürfen die Forststraßen nämlich lediglich mit einer Ausnahmegenehmigung befahren werden. Die meisten Biker sind daher illegal unterwegs. Am Mittwoch versammelten sich nun rund 50 Mountainbiker vor dem Parlament, wo das Thema auf Antrag der Grünen im Landwirtschaftsausschuss behandelt wurde. „Es ist höchste Zeit, dass Mountainbiker auf Forststraßen fahren dürfen“, erklärte der Grüne Tourismus-Sprecher Georg Willi.

Mountainbiker fordern Freigabe der Forststraßen
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Radfahren boomt

Schätzungen zufolge suchen etwa 800.000 Mountainbiker Erholung in Österreichs Wäldern. Auch touristisch boomt der Radurlaub. Bereits 2009 ergab eine Studie des Lebensministeriums und der Wirtschaftskammer, dass mit dem Radtourismus 317 Millionen Euro an Wertschöpfung erzielt werden.

Bislang werden Strecken im Wald jedoch lediglich auf vertraglicher Basis freigegeben. Das funktioniert in Tirol sehr gut, wo nach der Freigabe von Rad- und Almwegen rund 5.600 Kilometer offiziell genehmigte Mountainbike-Routen sowie mehr als 230 Kilometer Singletrails zur Verfügung stehen. Auch die Österreichischen Bundesforsten forcieren den Ausbau der Mountainbike-Strecken. 2200 Streckenkilometer würden auf Vertragsbasis in ganz Österreich bereit stehen, heißt es. Heuer kommen 40 Kilometer dazu, darunter auch ein Trailpark bei der Hohen Wand Wiese im Wienerwald. Doch abgesehen davon seien vor allem im Osten Österreichs laut dem Verein "upmove", der sich für die Forstraßen-Freigabe einsetzt, Freigaben eine Seltenheit.

„In den Nachbarländern ist das Wegerecht weiter gefasst, da ist das Fahren auf geeigneten Wegen erlaubt“, argumentiert „upmove“-Präsident Andreas Pfaffenbichler nun für eine Gesetzesänderung. Unterstützung erhielten die Mountainbiker am Mittwoch vorm Parlament von FPÖ-Agrarsprecher Harald Jannach sowie dem SPÖ-Abgeordneten Markus Vogel. "Dass man beim Radfahren von Securitys angehalten wird, ist nicht mehr zeitgemäß. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, dass Erholungssuchende festgehalten werden“, betont Pfaffenbichler.

Während man bei der Österreich Werbung dank sehr guter Infrastruktur von einem vielfältigen Angebot spricht, das von den Erholungssuchenden sehr gut angenommen werde und sich auch im internationalen Vergleich sehen lassen könne, sieht der Grüne Tourismus-Sprecher Willi das Land im Nachteil. "Gerade wo auch die E-Bikes einen Aufschwung erleben, ist es eine katastrophale Botschaft Richtung Tourismus. Radtouristen sind eine relativ zahlungskräftige Schicht."

Die Nachbarländer könnten nun Vorbild für eine neue Regelung sein. "Es gibt zwei Knackpunkte", sagt Willi. "Das sind das Thema Haftung und das Thema Eigentum." Was die Haftung betrifft, hätten die Naturfreunde einen Vorschlag ausgearbeitet, bei dem jeder Waldbenutzer - analog zu Deutschland - selbst hafte. "Und das Eigentum ist ein vorgeschobenes Argument, da geht es ums Geld", meint der Abgeordnete. Gerade die Errichtung und Erhaltung der Forststraßen würden mit öffentlichen Geldern gefördert.

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Eigentumsrechte

Anders sehen das die Waldeigentümer. Sie befürchten durch die generelle Öffnung der Forstwege einen massiven Eingriff in ihr Eigentum, der auch Arbeitsplatz sei. Laut dem Österreichischen Waldverband würden rund 63.500 Mitglieder im Wald ihr Einkommen erwirtschaften. Für sie würde sich das Haftungsrisiko massiv erhöhen. Gleichzeitig befürchten Förster, dass das Wild durch die Biker stark beeunruhigt würde - was die Sportler selbst in Abrede stellen.

Für eine Änderung des Forstgesetzes sieht die Landwirtschaftskammer jedenfalls keinen Bedarf. "Radfahren im Wald ist durch das Forstgesetz klar und zukunftsweisend geregelt. Damit Wanderer und alle anderen Waldbesucher auch weiterhin im Wald Ruhe genießen und Erholung finden können und das Eigentumsrecht der Waldbesitzer nicht unzumutbar beschnitten wird, ist Mountainbiken nur auf eigens dafür freigegebenen und gekennzeichneten Routen erlaubt", sagt Franz Titschenbacher, Vorsitzender des Ausschusses für Forst- und Holzwirtschaft. Diese Strecken würden in enger Abstimmung mit den Grundeigentümern, der Bevölkerung, dem Tourismus, der Jägerschaft und anderen Naturnutzern ausgewiesen.

Allein, dagegen haben die Mountainbiker nichts. "Wir sind nicht gegen eine vertragliche Lösung - auch bei Öffnung der Forststraßen", sagt "upmove"-Präsident Pfaffenbichler. Er ist sogar dafür, dass die Waldeigentümer bei Mehrbelastung in touristischen Gebieten finanziell entschädigt werden.

Was den Waldbesitzern jedoch Sorge bereitet ist, dass mit der Öffnung der Forststraßen nicht Schluss ist, sondern auch Wanderwege befahren und neue Single-Trails geschaffen werden. Tatsächlich befürwortet Pfaffenbichler die Freigabe gewisser, wenig frequentierter Wanderwege auf Shared-Trail-Basis, um ein zeitgemäßes Mountainbike-Angebot zu schaffen. Dass das in der Praxis funktionieren kann, beweist ein Projekt des MTB-Vereins „WienerWaldTrails“, des Biosphärenparks Wienerwald, der Österreichischen Bundesforste, des Stifts Klosterneuburg, der Stadt Wien (MA 49) sowie des Wienerwald Tourismus. Rund um die Bundeshauptstadt wurden im Vorjahr acht Trails für Mountainbiker freigegeben, die auch von Wanderern benutzt werden. Eigene Fair-Play-Regeln sollen ein gutes Auskommen sicher stellen.

Eine rasche Einigung scheint jedenfalls nicht in Sicht, der Antrag der Grünen auf Öffnung der Forststraßen im Landwirtschaftsausschuss wurde Mittwochabend auf Betreiben der SPÖ vertagt. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter spricht sich dem Vernehmen nach ebenfalls gegen die geforderte Gesetzesänderung aus. Einzig in Leoben könnte sich eine Verbesserung abzeichnen. Nach dem Eklat Anfang April wollen sich der Tourismusverband und der Waldeigentümer nun rasch auf zwei Mountainbike-Strecken einigen, die zusammen 38 Kilometer umfassen und an bestehende Routen anknüpfen sollen.

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