Mordversuch im Park: 19-Jähriger wird zu sechs Jahren Haft verurteilt

Angeklagter wird von Justizwachebeamten in den Verhandlungssaal geführt.
Der Mann hatte auf einen 33-Jährigen eingestochen. Dieser wurde mit einer Notoperation gerettet.

Kaltblütiger Mordversuch oder Notwehr? Auf diese Frage läuft es am Donnerstag am Landesgericht in Wien hinaus, als der 19-jährige Angeklagte den Saal betritt. Und am Abend steht die Antwort fest: Er erhält für seine Tat - nicht rechtskräftig - sechs Jahre Haft. 

Zwei Messerstiche hatte der junge Mann seinem Kontrahenten im Wasserpark Floridsdorf zugefügt. Wenige Tage später stellte sich der Bulgare, der nirgends gemeldet ist, er wurde festgenommen. 

Die Geschworenen verneinten einstimmig den Mordversuch und werteten die Tat als absichtlich schwere Körperverletzung. Der Beschuldigte, mit 19 Jahren ein junger Erwachsener, wurde nach dem Jugendgerichtsgesetz verurteilt. 

Dass der Mann - wie er sagte - in Notwehr gehandelt hat, wurde ebenfalls negiert. Während er das Urteil annahm, gab die Staatsanwältin keine Erklärung ab. 

Er muss zudem dem Opfer 9.000 Euro Schmerzengeld zahlen. Erschwerend gewertet wurde die Tat durch Verwendung einer Waffe, mildernd war der bisher ordentliche Lebenswandel und dass der Angeklagte unter 21 ist. 

Streit um Handy

Der Bulgare ohne Wohnsitz in Österreich habe aus Brünn nach Bulgarien heimreisen wollen, wie seine Verfahrenshelferin Katharina Regner bei der Verhandlung erklärt. "Ohne Handy", wie Regner betont. Dabei habe er "das Pech gehabt, im Wasserpark von einer psychisch beeinträchtigten Person attackiert" worden zu sein. 

Die Staatsanwältin sieht das in ihrem Strafantrag anders. Nach einer Streit um das Handy des Opfers habe der Angeklagte das Opfer später wieder getroffen, sei auf den Mann zugegangen und habe zugestochen – die Stiche hätten zu einer massiven Lebensgefahr geführt. Die Heftigkeit der Stiche gegen den Oberkörper lassen für die Staatsanwältin nur einen Schluss zu: versuchter Mord. 

„Mein Mandant ist froh, dass das Opfer überlebt hat“, kontert hingegen die Verteidigerin, „es tut ihm leid, dass das passiert ist.“ Und schildert die Geschichte eines orientierungslosen jungen Mannes, der nur nach Hause zu seiner Familie wollte. 

In Wien gestrandet

Aus Tschechien habe der Mann über Wien nach Bulgarien reisen wollen. Den Weg zum Flughafen - Geld für den Flug hätte er gehabt - hat er nicht erfragen können. Schon im Juni war der Bursche in eine Auseinandersetzung verwickelt, er sei zusammengeschlagen worden, dabei hat er sich das Handgelenk gebrochen.

An dem 5. August habe er mit dem Handy des Opfers, das er schon mehrmals getroffen hatte, wieder mit seiner Mutter telefonieren wollen, die in Neapel in einem Fischhafen arbeitet. Dabei sei es zu einer Auseinandersetzung mit dem Opfer und einer anderen Person gekommen. 

"In Schwitzkasten genommen"

Der Angeklagte sei geschlagen und getreten worden, dann habe das Opfer den Angeklagten „in den Schwitzkasten“ genommen: "Ich dachte, ich muss ersticken."

Mit einem Messer, das er zuvor im Park gefunden und eingesteckt habe, "um mein Essen schneiden zu können", habe er nach hinten zugestochen, um sich zu verteidigen und zu befreien. Der erste Stich habe keine Wirkung erzielt, deshalb habe er erneut zugestochen. 

Das Opfer konnte überleben, weil die Rettung zuvor schon wegen einer gestürzten Radfahrerin im Anmarsch war, sagt die Verteidigern. 

Verteidigerin: Angeklagter wurde attackiert

Das Opfer, mit dem sich der Angeklagte angefreundet und radebrechend verstanden hatte, leide an paranoider Schizophrenie. Deshalb könne die Handyrückgabe zu einer Eskalation geführt haben.

"Das Opfer hat jede Menge Drogen im Blut, nicht nur Alkohol. Mein Mandant war zur falschen Zeit am falschen Ort, ich glaube ihm“, deshalb gibt es auch kein „reumütiges Geständnis, weil er in einer Notwehrsituation gehandelt hat, bekräftigt die Verteidigern. Der junge Mann wollte nur heim auf den Bauernhof seines Onkels in Bulgarien. Auch er sagt: „Ich bin nicht schuldig.“

Zwei Monate als U-Boot in Österreich

„Sie waren zwei Monate in Österreich“, rechnet der Richter nach, „haben hier überlebt und etwas zu essen gefunden, aber es nicht geschafft, nach Hause zu fahren?“, wundert er sich. „Ich wollte nach Bulgarien, aber ich hatte keinen Plan“, gibt der Angeklagte kleinlaut zu. 

Mit gesenktem Kopf, aber fester Stimme, erzählt der 19-Jährige, was an dem 5. August passiert ist. Der Mann habe ihn getreten und in den Schwitzkasten genommen. Er habe geschrien und geweint, er habe den Mann aber nicht töten wollen. Der Richter lässt sich die Details des Kampfes schildern. „Warum das Opfer ihn attackiert hat, könne er sich nicht erklären“, sagt der Angeklagte. 

Drei Tage habe er überlegt, was er tun solle. "Dann bin zurück zum Tatort, habe gebetet und bin zu einer Tankstelle und habe gesagt, dass ich jemanden verletzt habe", erinnert sich der 19-Jährige, der dann in U-Haft kam. 

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