„Er verspürte Erregung“: Zwölf Jahre Haft für Mord an Obdachlosen

Der Beschuldigte nahm das Urteil an und sagte, er wolle sich bessern. Vor den Taten habe ihn der Gedanke zu morden jedoch monatelang beschäftigt.
Jener 18-Jährige, der im Vorjahr zwei wehrlose Menschen erstochen haben soll, fasste am Montag eine zwölfjährige Haftstrafe aus. Laut Staatsanwältin waren die Morde ein „Aggressionsventil“. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

24 Stiche. Mit 24 Stichen ging im Sommer des Vorjahrs ein damals 16-Jähriger in Wien auf schlafende Obdachlose los. Zwei Männer starben, eine Frau überlebte trotz eines Stichs in die Leber. „Beim Gedanken daran, jemanden zu töten, hat er Erregung und Gänsehaut verspürt“, eröffnete die Staatsanwältin am Montag die Verhandlung, bei der es unter anderem um Doppelmord ging.

Der mittlerweile volljährige Angeklagte, ein schlaksiger Bursche mit Pagenkopf, sprach von „innerer Wut, Unruhe und unendlicher Traurigkeit“, die ihn angetrieben hätten. Ein gutes Jahr nach den Taten fühle er sich heute aber nicht mehr gefährlich. 

Ich war wütend und traurig und hatte den Wunsch, dass sich einmal jemand schlechter fühlt als ich.

von Der Tatverdächtige

zur Motivlage

Eine Einschätzung, die der psychiatrische Sachverständige nicht teilte. Der junge Mann sei ein Serienmörder. Diese würden „oftmals einen noch stärkeren Reiz suchen“.

Der mutmaßliche Doppelmörder gab bei seiner Befragung zu, dass  ihm der erste Mord am 12. Juli 2023 nahe des Wiener Handelskais eine Erfüllung gegeben habe, die er so nicht kannte. „Es war das, was ich gesucht habe“, sagte der 18-Jährige, der jahrelang Messer gesammelt und sich in den Wochen vor dem Mord Dokus über Serienkiller angeschaut hatte: „Ich wollte wissen, ob ich etwas mit ihnen gemeinsam habe und warum ich diese Gedanken nicht aus dem Kopf bekomme.“

„Er verspürte Erregung“: Zwölf Jahre Haft für Mord an Obdachlosen

Zehn Tage nach den tödlichen Bauch- und Kopfstichen gegen einen 56-jährigen Unterstandlosen kam es erneut zu einer Attacke. Der Bursche legte sich unweit des Pratersterns auf die Lauer. Maskiert und mit Handy im Flugmodus, um nicht geortet werden zu können, suchte er nächtens nach einem noch größeren Kick: „Ich habe einen Betrunkenen verfolgt und dachte, ich schaff’ es, dem Opfer in die Augen zu schauen. Aber es ging nicht.“

Kick blieb aus

Eingangs hatte der 18-Jährige festgehalten, dass er nicht gezielt obdachlose, sondern schlafende Menschen gesucht hatte. So auch am 22. Juli, als er schlussendlich  eine hilflose Person unter einem Baum entdeckte und laut Anklage zustach. Die 51-Jährige, die schwer verletzt überlebte, habe mit einem „Todesschrei“ versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Er flüchtete. 

„Er verspürte Erregung“: Zwölf Jahre Haft für Mord an Obdachlosen

Der erhoffte Kick blieb diesmal aus. Als er schließlich in der Nacht auf den 9. August mit demselben 20 cm langen Messer wie bei den vorangegangenen Taten am Hernalser Gürtel auf einen 55-Jährigen einstach, habe er sich nur mehr schlecht gefühlt, so der Angeklagte. Wenig später kam er mit seiner ersten Freundin zusammen, daraufhin stellte er sich freiwillig der Polizei und legte ein Geständnis ab. 

Dass der Bursche vor Gericht so ausführlich Stellung nahm, passierte auf eigenen Wunsch.  Wenn ich über Leben und Tod entscheide, muss ich das jetzt machen“, erklärte der 18-Jährige, der bei den Ausführungen über die Opfer wenig Anteilnahme zeigte

Emotional wurde der Angeklagte, als es um die eigene schwierige Kindheit ging. Darin sieht er den Grund für die ihm vorgeworfenen Taten. Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger betonte, er vertrete „kein empathieloses Monster“, sondern einen „lieben 18-Jährigen“. Die Mutter seines Mandanten sei manisch-depressiv, die Stiefmutter habe ihn psychisch missbraucht und schließlich die jüngere Halbschwester und sich selbst getötet. „Sein Vater war schwach, konnte sich nie durchsetzen“, so der Anwalt. Sein Klient sei den Drogen verfallen und habe „alles genommen, was man auf der Straße bekommt“.

Opfer beinahe umarmt 

Die ersten beiden Taten passierten noch unter Drogeneinfluss. „Ich habe gedacht, ich werde mit einer Stange geschlagen“, berichtete die als Zeugin geladene 51-jährige Überlebende dem Richter. Als sie Blut roch, wurde ihr klar, dass sie gerade Opfer einer Messerattacke geworden war. Sie leide bis heute an den Folgen. In einer bizarren Szene gab sich die Frau dennoch versöhnlich: Nach ihrer Befragung bat der Beschuldigte, um die Möglichkeit, sich zu entschuldigen.

Die durch neun Messerstiche Verletzte willigte ein, woraufhin der Bursche von der Anklagebank aufstand, um die Frau zu umarmen. Die wollte das nicht, woraufhin er sich mehrfach entschuldigte, ehe das Opfer sagte: „Entschuldigung angenommen.“

Weniger verständnisvoll zeigten sich die Geschworenen. Auch aufgrund des jungen Alters wurde der Angeklagte zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Zudem wurde er aufgrund einer Persönlichkeitsstörung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen. Eine Entlassung, selbst nach Verbüßung der zwölf Jahre, wäre somit nur dann möglich, wenn ein Psychiater bestätigt, dass keine Gefahr mehr von ihm ausgeht. Urteil nicht rechtskräftig. 

Kommentare