Mordserie: 17-jähriger Verdächtiger war bereits polizeibekannt
Montagnachmittag, 15.30 Uhr, auf einer Wiener Polizeiinspektion: Ein junger Mann betritt das Wachzimmer, er will etwas loswerden. „Ich bin der gesuchte Obdachlosen-Killer“, sagt er den Polizisten. Der 17-jährige Österreicher soll also jener Täter sein, nach dem die Polizei seit Juli dieses Jahres fieberhaft gesucht hat. Damals begann eine Serie an Messerattacken auf Obdachlose, der zwei Männer zum Opfer fielen.
Drei Messerattacken
Am 12. Juli hatte eine Passantin einen toten Mann auf einer Parkbank nahe des Handelskais gefunden. Die Leiche wies sechs Messerstiche auf, von Täter oder Tatwaffe fehlte jede Spur. Zehn Tage später müssen sich nahe des Pratersterns ähnliche Szenen abgespielt haben. Eine 51-Jährige wacht blutüberströmt auf. Auch auf sie war eingestochen worden, die Frau überlebt nur knapp. Angaben zum Täter kann sie keine machen – ebenso wie das dritte Opfer. Ein 55-jähriger Mann wird am Hernalser Gürtel blutüberströmt gefunden. Obwohl Ärzte mehrere Tage versuchen, sein Leben zu retten, verlieren sie diesen Kampf. Das Opfer war, wie auch die beiden zuvor, im Schlaf attackiert worden. Und das hatte sich der Tatverdächtige laut eigenen Angaben auch gezielt so ausgesucht.
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Der 17-Jährige wurde am Montagabend bis Mitternacht einvernommen. Er habe sich wehrlose, „leicht verfügbare“ Opfer gesucht, die er ungestört töten konnte, beschreibt LKA-Chefermittler Gerhard Winkler. Bei der Polizei gab er Details an, die die Polizei „Täterwissen“ nennt.
12. Juli, 7.40 Uhr
Am Handelskai in der Brigittenau wird ein 56-jähriger Obdachloser mit sechs tödlichen Stich- und Schnittverletzungen aufgefunden. Eine Passantin entdeckt die Leiche auf einer Parkbank liegend. Von der Tatwaffe fehlt jede Spur
22. Juli, 3.40 Uhr
Eine 51-jährige Frau wird am Praterstern unter starken Schmerzen wach. Sie bemerkt, dass sie stark blutet, und alarmiert Zeugen, die die Rettung verständigen. Das rettet der Frau das Leben. Weil sie während der Tat geschlafen hat, kann sie keine Hinweise auf den Täter geben
9. August, 1 Uhr
Ein 55-jähriger Obdachloser wird blutüberströmt an Hernalser Gürtel wach. Auch er hat nichts von einer Attacke mitbekommen. Zwar wird auch er schnell von den Rettungskräften versorgt, der Mann stirbt aber wenige Tage später im Krankenhaus
Das Motiv sei Wut gewesen. Der Bursch stammt aus zerrütteten Familienverhältnissen, ist ein Scheidungskind, brach die Schule ab – im Frühjahr 2023 dürfte ihm das Leben völlig entglitten sein. Er habe Partydrogen, Kokain und später auch Heroin konsumiert, seine innere Wut sei dadurch immer größer geworden.
Festnahme im September
Seit September lebte er in einem Krisenzentrum für Jugendliche in Wien-Währing, nachdem er seine 56-jährige Mutter in deren Wohnung in Ottakring attackiert haben soll. Nachbarn hatten damals wegen Hilferufen die Polizei alarmiert. Der Bursch soll seine Mutter geschlagen und ins Gesicht getreten haben. Er war daraufhin festgenommen worden – dass die Polizei einen gesuchten Serientäter in Gewahrsam hatte, war den Ermittlern zu dem Zeitpunkt nicht klar. Der 17-Jährige wurde auf freiem Fuß angezeigt.
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Neben dem Geständnis verriet der 17-Jährige am Montag auch, wo er die mutmaßliche Tatwaffe versteckt hatte. Kriminalisten führten daraufhin eine Durchsuchung im Haus des Vaters, im nö. Weinviertel durch. Dort hatte der Bursch das Messer, mit dem er alle drei Taten begangen haben soll, in einem Sofa versteckt. Es handelt sich dabei um ein Messer, das im Internet gekauft werden kann, was der Verdächtige auch getan haben soll.
Video zeigte Verdächtigen
Nach dem Vorfall mit seiner Mutter endeten die Attacken auf Obdachlose. Laut den Ermittlern hatte der Jugendliche eine Freundin gefunden, mit der er immer noch zusammen sein soll. Das hätte seine Aggressionen im Zaum gehalten.
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Der Druck auf den Verdächtigen habe aber deutlich zugenommen, nachdem die Polizei im Oktober ein Überwachungsvideo veröffentlicht hatte, das den 17-Jährigen zeigen soll.
Obwohl er seine Taten im Vorfeld akribisch geplant haben dürfte, und dabei auch darauf achtete, von keinen Überwachungskameras aufgenommen zu werden, konnte die Polizei Videomaterial sichern, das nach der letzten Bluttat vom August in der Nähe des Tatorts entstanden war. Wie sich nun herausstellte, zeigte es tatsächlich den Verdächtigen. Der Grund, jetzt zur Polizei zu gehen, soll das laut seinem Rechtsanwalt Manfred Arbacher-Stöger aber nicht gewesen sein: „Er hat den Ermittlern alle Einzelheiten geschildert und versichert, dass er sein Leben neu ordnen möchte.“
Der Anwalt war übrigens erst nachträglich vom Vater des Verdächtigen hinzugezogen worden. Der Bursch war ursprünglich allein auf die Polizeiinspektion gekommen, um ein ausführliches Geständnis abzulegen. Bei den Polizisten habe er sich für die „freundliche Behandlung“ und die Zigaretten bedankt, ist zu hören.
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