Mordprozess: Kopfschuss in Tiefgarage

Mordprozess: Kopfschuss in Tiefgarage
"Das bin nicht ich", sagt der Mann, der eine Krankenschwester erschossen hat. Und dass es "kein schöner Anblick" sei.

Vielleicht war es ein paraneoplastisches Syndrom. Das sind Vorboten einer Krebserkrankung, die zum Persönlichkeitsverlust führen können, ehe der Krebs diagnostiziert ist.
Anders ist (zumindest für Verteidiger Rudolf Mayer) schwer zu erklären, weshalb sich ein bis dahin friedlicher 50-Jähriger eines Tages wie ein Berserker aufführt: Zuerst legt Franz Xaver Josef Maria Pfaffenbichler am 14. November 2009 im Reihenhaus seines Sohnes in Wien-Penzing, dem er in bestem Einvernehmen den Haushalt führt, Feuer. Ganz oben.
"Ich würde ein Haus nicht im Obergeschoß anzünden, weil die Flammen steigen von allein in die Höhe", sagt Pfaffenbichler vor Gericht.

Dann geht er in die Tiefgarage des Hanuschkrankenhauses, will der Krankenschwester Helga Lust ihren Renault wegnehmen (mit dem er ohne Garagenschein ohnehin nicht durch die Schranken gekommen wäre), rangelt mit der Frau und tötet sie mit einem Kopfschuss aus seiner Pistole. "Kein schöner Anblick", sagt Pfaffenbichler.

Schließlich fährt er mit dem Bus in die Steiermark, setzt das Haus seiner Ex-Frau in Brand, stolpert über die Stiegen, kommt mit Schädelbruch ins Spital, wo der Krebs entdeckt wird.
"Ich werd' das schon alles gemacht haben, aber das bin nicht ich", sagt Pfaffenbichler vor Gericht. - "Was war an dem Tag anders als sonst?", fragt beim Mordprozess im Grauen Haus in Wien Richter Roland Weber.

Gute Frage

Mordprozess: Kopfschuss in Tiefgarage

"Mein Leben ging den berühmten Bach runter", antwortet der von der Krankheit gezeichnete Angeklagte, dem man während der U-Haft eine Lunge wegoperiert hat: Er war damals schon länger arbeitslos, führte für seinen Sohn den Haushalt und wollte sich "wie jeder anständige Obdachlose im Wald auf den Boden legen und an Unterkühlung sterben oder mich erschießen." - "Und warum haben Sie das nicht gemacht?" - "Eine gute Frage."
Seine letzte Erinnerung sei, dass er die Waffe genommen, die Lederjacke zugezippt, das Haus verlassen habe und in der Krankenhausgarage gelandet sei.

Richter: "Und dann?" - "Ach ja, das. Vor meinen Augen hat's geflimmert, da war eine dunkle Silhouette und ein beklemmendes Gefühl, das sich mit einem Knall aufgelöst hat."
Ach ja, DAS, und "die Silhouette", und was sich da "aufgelöst hat", war die 49-jährige Stationsleiterin Helga Lust, die gerade ihr Auto hatte abstellen wollen, bevor sie nach Papua-Neuguinea auf Urlaub gereist wäre.

"Meine Frau hat mir erzählt, was Überfälle für Traumata auslösen, ich hätte nie jemanden mit einer Waffe überfallen", sagt der Angeklagte.

Der Lärm

Hat er aber. Und gezielt in den Kopf geschossen hat er der schreienden Frau, jetzt erinnert er sich doch, "damit der furchtbare Lärm aufhört".

Überhaupt: So umnebelt, wie Pfaffenbichler tut, war das alles wohl nicht. Er drehte die Sterbende noch um (wie man nachträglich rekonstruierte) und suchte nach dem Autoschlüssel. Und er schloss messerscharf, "dass es nicht lang dauern wird, bis die Polizei kommen wird". Ein Gerichtspsychiater, der nicht zur Verhandlung geladen war, würde sagen: Ausgestanzte Erinnerungslücken gibt es nicht.

Tut es Pfaffenbichler leid? "Ich bin ratlos. Es hätte niemand sterben sollen außer mir."

Der Prozess wurde vertagt.

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