Seine Kollegen und er wären keine Bremser, betont Serhat Sen, der als Ein-Personen-Unternehmen selbst im Taxi sitzt und nebenbei Kurse in seiner Taxi-Schule hält. Nicht wenige hätten zuletzt in die Mobilitätswende investiert, zum Beispiel in rund 5.500 Hybrid-Fahrzeuge.
„Doch diese Bestimmung bedroht unsere Existenzen“, kritisiert Serhat Sen in einer Fahrpause. Er meint damit die neue Wiener Landesbetriebsordnung, die bereits in wenigen Tagen (am 1. Jänner 2025) nur im Bundesland Wien in Kraft treten soll.
Im neuen Jahr dürfen die Wiener Fuhrwerksunternehmen nur mehr E-Autos neu anmelden, so sieht es der neue gesetzliche Rahmen vor, der von der Stadt Wien, Wirtschafts- und Arbeiterkammer gemeinsam beschlossen wurde.
Serhat Sen erklärt aus der Sicht des Praktikers, warum das die Branche in Wien vor große finanzielle Probleme stellt: „Ein Elektro-Auto ist nicht nur um bis zu 30.000 Euro teurer beim Kauf. Es gibt darüber hinaus, und das ist vielleicht noch wichtiger, in der ganzen Stadt viel zu wenige Ladestationen.“ Und die wären viel zu langsam: „Mit einem Taxi, das sechs Stunden an einer Ladestation steht, können wir einfach kein Geld verdienen.“
Viele Kollegen hätten – so wie er – keine Möglichkeit, ihr Dienstauto im privaten Bereich aufzuladen. „Daher müssten wir uns – wie alle anderen Autofahrer – auf der Straße eine Station suchen.“
Taxler Sen hat daher für sich entschieden, seine noch immer voll funktionstüchtige Limousine mit einem Verbrennermotor „so lange wie nur möglich zu fahren“.
Andere Taxiunternehmer umfahren die neue Vorgabe noch viel weiträumiger: „Sie haben in den vergangenen Monaten noch den einen oder anderen Verbrenner neu gekauft und als Taxi angemeldet.“
Gerüchten zufolge wurde in 500, 600 Autos investiert, um die Verbrenner in näherer Zukunft an Kollegen teurer verkaufen zu können. Das Klima wird das weniger freuen, die Wiener Landesbetriebsordnung wirkt hier wie ein Bumerang.
Rückendeckung erhalten die aufständischen Taxler vom Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband in der Wiener Wirtschaftskammer: „Dieser Plan führt in die Sackgasse“, kritisiert dessen Präsident, der in einem Familienbetrieb in Kagran tätige Autohändler Marko Fischer.
Politisch pikant: Fischer hat seine Einwände auch bei seinem Parteifreund, dem Wiener Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke, deponiert, und er hat ihm auch ein Alternativmodell für einen stufenweisen Umstieg bis zum Jahr 2030 präsentiert. Reaktion des Stadtrates? „Er hat mir versprochen, dass alles noch einmal geprüft wird.“
Viel Zeit zum Prüfen hat Hanke nicht mehr. Am Ende der kommenden Woche geht Wien traditionell in die Weihnachtsferien. Katarina Pokorny, ebenfalls vom SP-nahen Wirtschaftsverband spricht von einer „aufgezwungenen Maßnahme, die unsere Taxiunternehmen am falschen Fuß erwischt“.
Ladestationen: In Wien gibt es rund 2.700 Ladepunkte, davon sind nur etwa 1.000 öffentlich.
Ladezeit: Die Zeit, um ein Auto bei einer Ladestation mit 11 kW zu 80 Prozent aufzuladen, beträgt rund sechs Stunden.
Neue Bestimmung: Ab dem 1. 1. 2025 dürfen laut Wiener Landesbetriebsordnung nur noch Taxis mit reinem Elektroantrieb oder Wasserstoffbrennzellen angemeldet werden
4.300 Taxiunternehmen sind in Wien aktiv. Von ihren rund 8.300 Autos sind immerhin 5.500 Hybrid- und 200 E-Fahrzeuge.
Unleistbare E-Mobilität
Derzeit werden nur 200 der 8.300 Taxis in Wien mit Elektromotor betrieben. Für den Taxler Serhat Sen stellt sich die Frage, ob da in den kommenden Monaten viele neue E-Autos hinzukommen. Die Frage ist für ihn auch, ob Elektromobilität die einzig sinnvolle Alternative im Zuge der Mobilitätswende ist, und wenn es denn so wäre, wann Wien – so wie London oder andere Städte – deutlich mehr Ladestationen in den Parkplatzbereichen erhält.
Von den Gerüchten, dass eine Wiener Funkzentrale die neue Vorgabe rechtlich prüfen lassen will, hat auch er gehört. Ebenso von einem veritablen Konflikt in der Wiener Taxi-Innung, die nach Ansicht von Kollegen zu wenig gegen die Elektro-Verordnung aufgetreten wäre. Serhat Sen erzählt auch, dass den Taxlern Förderungen in Aussicht gestellt wurden und dass er sich ein E-Taxi ohne Zuzahlung nicht leisten kann.
Im Büro von Stadtrat Hanke zeigte man am Montag Verständnis für die Taxler, versteht aber deren Aufregung nicht: Die Umstellung sei seit 2019 bekannt, es gebe bereits heute ausreichend Ladestellen, das Netz werde auch laufend weiter ausgebaut, für Taxifahrer soll es einen eigenen Tarif geben, und es werde auch Förderungen geben.
Klingt nicht nach Einlenken. Taxler Sen nimmt es zur Kenntnis. Er wird daher weiterhin mit einem Verbrennerauto beruflich unterwegs sein.
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