Mit "qualifiziertem Zuzug" gegen die Personalnot in Wiens Spitälern

Seit 1. Juli ist Gerhard Jelinek (65), ehemaliger Präsident des OLG Wien, neuer Wiener Pflege- und Patientenanwalt.
KURIER: Ihre Bestellung sorgte für Rumoren, weil Sie bisher kein Gesundheitsexperte waren. Haben Sie sich schon eingearbeitet?
Gerhard Jelinek: Ich bin sehr intensiv dabei. Aber auch mein Vorvorgänger und die Patientenanwälte davor kamen aus anderen Bereichen. Es ist gut, dass man sich für diese Aufgabe in vielen juristischen Gebieten gut auskennt und Management-Erfahrung hat. Das kann ich von mir schon behaupten. Darüber hinaus habe ich ein fachlich sehr breit aufgestelltes Team zur Unterstützung.
Aktuelles Problem ist die Personalnot in Wiens Spitälern. Wie lässt es sich lösen?
Wahrscheinlich hätte man einiges früher erkennen müssen, insbesondere die demografische Entwicklung. Aus den geburtenstarken Jahrgängen gehen viele in Pension. Man hätte etwa die Chance nützen können, die qualifizierter Zuzug bietet. Vielleicht hätte man auch über eine Anhebung des Pensionsalters nachdenken können. Natürlich geht es auch um eine Ausbildungsoffensive, bessere Arbeitsbedingungen und flexiblere Arbeitszeitmodelle.
Engpässe gibt es auch im niedergelassenen Bereich. Es mangelt an Kassenärzten, der Ausbau von Primärversorgungseinheiten (PVE) stockt. Wer ist verantwortlich?
Der Präsident der Ärztekammer ist optimistisch, dass man das für 2025 gesetzte Ausbau-Ziel erreichen wird. Es ist aber richtig, dass man die PVE mehr bewerben könnte. Ich halte den aktuellen Streit zwischen Stadt und Ärztekammer um die Größe der PVE für etwas kleinlich. Die Kammer meint, dafür reichen zwei statt drei Ärzte. Ich meine: Würde sie voll dahinterstehen, fänden sich schon auch Dreiergruppen.

Warum kleinlich?
Hier wird ein wenig Basar gespielt, wenn die Kammer die vorgesehenen Förderungen auch für Zweiergruppen fordert. Eine zeitlich umfassende Betreuung werde ich aber mit zwei Ärzten nicht sicherstellen können.
Das Verhältnis zwischen Ihrer Vorgängerin Sigrid Pilz und der Kammer war sehr angespannt. Wie kommen Sie mit Präsident Johannes Steinhart zurecht?
Ich versuche, ihm sachlich, vertrauensvoll und freundlich zu begegnen. Man wird sehen, wo eine Kooperation möglich ist. Wenn ich das Gefühl habe, es geht mehr um Ärzte- als um Patienteninteressen, werde ich die Diskussion nicht scheuen.
Thema Corona: Der Zulauf impfkritischer Gruppen sorgt für Beunruhigung. Wie konnte es dazu kommen?
In den letzten drei Jahren hat sich immer wieder die Situation geändert, was ein Nachjustieren der Maßnahmen erfordert hat. Das führte dazu, dass viele Menschen nicht mehr mitgegangen sind. Zeitweise hatte man auch das Gefühl, dass man Impfkomplikationen verschweigen wollte. Man hätte sie dokumentieren, sie aber gleichzeitig in Relation zu den Millionen Impfungen ohne Probleme setzen sollen. Dann hätte man wohl eine größere Bereitschaft gehabt, die Empfehlungen zu befolgen.
An wen richtet sich hier Ihre Kritik?
Schon eher an den Bund. Die Stadt Wien versucht, längere Zeit kontinuierlich und konsequent Maßnahmen aufrechtzuerhalten. Aus Sicht des Schutzes der vulnerablen Gruppen habe ich bei der Strenge und Klarheit der Regeln in Wien ein besseres Gefühl.
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