Vielleicht ist er schon fast mehr als ein Stammgast in dem urigen Beisl in der Leopoldsgasse 22 im 2. Bezirk mit der dunklen Holzvertäfelung, der Schank aus den 50er-Jahren, den Schwarz-Weiß-Fotografien und einer Sammlung fremdländischer Geldscheine an der Wand. Hier hat er seinen ersten Plattenvertrag unterschrieben. Hier sitzt er oft nach dem Liederproduzieren.
Lokalchefin Patrizia stellt ihm den Almdudler und eine Melange hin, den er noch bestellt hat. Auch mit Zucker. Die Chefin bleibt kurz stehen, tratscht. Sie leitet mit ihrem Mann Ernst das Lokal seit 28 Jahren, sucht nun auf dem Handy ein Video von einem Interview mit Marco, das sie ihm zeigen wollte.
Wirte so zu kennen, anschreiben zu können, das sei schon großartig, sagt der Musiker, nimmt einen Schluck Almdudler. Wie dörflich eine Weltstadt sein kann.
„Aber“, ergänzt er gleich: „Wenn man von Wien spricht, muss man gleichzeitig das Motiv des Aussterbens nennen.“ Er sieht sich im Lokal um. Die Nachmittagssonne fällt auf die noch leeren Holztische mit den Bierdeckeln. Es ist noch zu früh. Und zu warm draußen. „Es gibt ein gewisses Wien, das ohne Frage ausstirbt“, sagt er. Es habe sich ge-starbucks-t, ge-take-away-t, ge-touristet. „Obwohl ich glaube, es wird immer eine nostalgische Menschenansammlung geben, die irgendetwas Vergangenes hochhält. Und dadurch stirbt es vielleicht nie ganz aus.“
Sehnsuchtsgedanken wie diese kennt man von seinen Liedern. Alle diese schönen Träume/ ob von gestern oder heute/ alle sind sie allesamt vorbei, heißt es im Lied „Nach Hause gehen“ auf ihrem neuen Album, das vor Kurzem erschienen ist. Der Titel: „Ciao“.
Abschied soll das keiner sein, wird im Pressetext betont. Aber der Beginn eines neuen Kapitels. Ein entspannteres? Vielleicht. So verrückt das klinge, das Leben als Erfolgsmusiker sei irgendwie zu Normalität geworden.
Es stehen TV-Auftritte in Deutschland an, kommenden Frühling geht es auf große Tour. Die Reisen würden ihn auch viel über Wien lehren: „Ich find’ keinen friedlicheren Flecken Erde.“
Friedlich trotz der Bekanntheit? Er macht eine wegwerfende Handbewegung, bläst Rauch aus. „Ich bin ja sehr häuslich und geh’ gar nicht so viel vor die Tür. Außer hierher.“ Da muss er doch lachen. „Natürlich werde ich regelmäßig angesprochen, aber ich erleb’ es nie als Hysterie oder Freiheitsberaubung, sondern als Bereicherung. Das sind Menschen, die mir ihren Dank aussprechen, die mich auf ein Bier einladen. In letzter Zeit zahl’ ich wenig für meine Saufeskapaden, weil immer wer sagt: Ist schon ’zahlt, Marco. Schräg eigentlich.“
Auch schräg – und das weiß er erst seit Kurzem: Die Wilde Wanda, Wiens einzige Zuhälterin und Namensgeberin der Band war auch hier Stammgast. „Ich wusste nur, dass sie aus dem Zweiten kommt. Das war ihr Revier. Das hat sie mit Schlagstock, Messer und Puffn verteidigt.“ Er lacht. „Bei der Polizeistation da drüben“ – er deutet nach links – „ist sie mal aus dem Fenster gesprungen und hat versucht zu fliehen. Sieben Männer mussten sie einfangen.“
Lokalchef Ernst nickt. „Das war keine, mit der du dich anlegen wolltest.“ Sie saß übrigens exakt auf dem Platz, an dem sich Marco Wanda immer niederlässt. Die Eckbank rechts hinten. „Seitdem ich das weiß, sitz’ ich da nicht mehr so gern“, sagt Marco Wanda, als er sich für ein Foto doch wieder dorthin setzt, „ich rück’ jetzt immer 30 Zentimeter weg, damit nicht ihr Geist in mich fährt.“
Er lacht und rückt ein wenig zur Seite. Dann trinkt er den Almdudler aus, zündet sich noch eine Zigarette an. Was wird das nächste Getränk? Langsam bricht der nächste Abend an.
Info: Vor Kurzem ist das vierte Album von Wanda erschienen: „Ciao“. Die Tourdaten dazu: 9. 5., Innsbruck, Olympiahalle 15. und 16. 5., Wien, Stadthalle 17. 7., Linz, Donaulände 18. 7., Graz, Freiluftarena B
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