Jene Lokale, die es noch gibt, erlangen dafür oft Kultstatus. Sind sie doch Repräsentanten einer Zeit, die es wohl bald nicht mehr gibt.
Einer, der zumindest ein solches Lokal möglichst lange erhalten möchte, ist Peter Balon. Der 39-Jährige, der Gastronomieerfahrung unter anderem im Club „Grelle Forelle“ sammelte, hat im Februar dieses Jahres das „Tradition’s Beisl“ (sic) Schmauswaberl beim Naschmarkt übernommen.Als Gast sollte man von der Übernahme wenig mitbekommen, die alte Einrichtung samt Schank und Jukebox ist geblieben. Und das größte Lob ist wohl, dass nicht nur die alten Stammgäste weiter kommen, sondern auch die vormaligen Besitzerinnen ab und an vorbeischauen.
Was macht den Reiz dieser Lokale eigentlich aus? „Die Hierarchielosigkeit“, sagt Peter Balon. „Menschen mit den verschiedensten Lebensgeschichten, sitzen hier nebeneinander und sind alle gleich.“
In jüngster Zeit sind das vermehrt auch Junge. Der gut gemixte Gin Tonic (um 3,80 Euro, gemäß Balons Mottos „moderate Preise, radikale Drinks“) trägt vielleicht seinen Teil dazu bei; ebenso wie das Popcorn in den Geschmacksrichtungen Karamell, Knoblauch und Steinsalz. Es sei aber keineswegs ein Hipster-Lokal, sagt Balon, aber, räumt er ein, es ist ein schmaler Grat.
Die hippe Jugend entdeckt die Kneipen: Da komme ein Trend nach Wien, den es seit Jahren in Berlin gibt, sagt Autor Clemens Marschall, der seine schönsten Abende auch in diesen Lokalen dieser Art verbracht hat.
Warum? „Hier muss man nichts beweisen. Nicht erzählen, wie viele Projekte man am Laufen hat. Keiner spielt hier was vor und das ist angenehm“, sagt Marschall.
Das passt zu einem Satz, den Marco Wanda im KURIER-Interview noch gesagt hat: „Ich mag, dass einem hier (im Leopoldistüberl, Anm.) jeder seine Ruhe lässt. Jeder ist in seinem Diskus, das ist ein sehr anregendes geistiges Klima. Man muss nicht viel reden. Ein bisschen wie eine Pflanze; es reicht, mit anderen Pflanzen in einem Lokal zu sein.“
Durchaus viel miteinander geredet wird in jenem Beisl, in der Landesgerichtsstraße: das Café Bendl, zu dem man die berühmten „drei Stufen ins Unbewusste“ hinuntersteigt. Das sei dem Platz geschuldet, sagt Jürgen Bauer, der das Lokal vor vier Jahren übernommen hat: „Bei uns ist es so eng, und nach einem Achterl Wein oder einem Bier kommt man wie von alleine ins Gespräch.“ Und redet manchmal bis zum Morgengrauen.
Um diese Welt noch einmal festzuhalten, bevor sie komplett verschwunden ist, hat Clemens Marschall vor drei Jahren mit Fotograf Klaus Pichler den Bildband „Golden Days Before They End“ herausgebracht. Die Recherche hat ihnen einmal mehr verdeutlicht, wie schnell das Beisl-Sterben vonstatten geht. Von den rund 150 Lokalen, die sie zwischen 2012 und 2016 besucht haben, gebe es heute nur mehr die Hälfte.
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