Wien: Keine Lösung für Mindestsicherung in Sicht

75 Prozent bekommen eine Ergänzungsleistung zu ihren anderen Einkünften, etwa Teilzeit-Einkommen, Pension oder Arbeitslosengeld.
Wehsely hofft, dass wenigstens die Pflichtversicherung für Bezieher erhalten bleibt. Thema Wartefrist für Zugezogene bleibt offen.

In Sachen Neugestaltung der Mindestsicherung läuft der Stadt Wien die Zeit davon. Nach dem vorläufigen Scheitern einer bundesweiten Regelung muss Wien Lösungen finden, die verhindern, dass nicht noch mehr Anspruchsberechtigte nach Wien ziehen. Denn hier gelten derzeit noch großzügigere Regelungen als in anderen Bundesländern.

"Wir werden aber sicher nicht eine Vorgehensweise wie in OÖ oder NÖ wählen", betonte Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) am Donnerstag im Landtag angesichts der jüngsten Kürzungen in diesen Ländern. "Allein schon aus sozialpolitischen Gründen, aber auch weil die Regelungen in diesen Bundesländern rechtswidrig sind."

Versicherung

Laut Wehsely seien derzeit keine Termine geplant, um doch noch zu einer bundesweiten Lösung zu kommen. Ungeklärt ist auch, wie die Versicherung der Bezieher der Mindestsicherung geregelt wird: "Ich kämpfe dafür, dass die Pflichtversicherung für sie erhalten bleibt." Ansonsten müssten die Länder die vollen Kosten tragen.

Noch offen ist, ob Wien im kommenden Jahr tatsächlich eine Wartefrist für Anspruchsberechtigte einführen wird, um den Zustrom aus anderen Bundesländern zu bremsen. Wie berichtet, musste zuletzt das Budget für die Mindestsicherung kurzfristig für das Jahr 2016 um 130 Millionen Euro erhöhen, die Gesamtausgaben liegen damit bei 664 Millionen Euro.

Aufstocker

Wehsely will aber den Fokus auf ein anderes Problem lenken: Nur 9,9 Prozent der Bezieher seien Vollbezieher, 77,4 Prozent waren im Vorjahr Ergänzungsleistungsbezieher. Sie bekommen einen Teil der Mindestsicherung zu ihren anderen Einkünften, etwa Arbeitslosengeld, aber auch aus Teilzeit-Beschäftigung. Der Rest der Bezieher bekommt andere Beihilfen etwa Mietbeihilfe.

Wien: Keine Lösung für Mindestsicherung in Sicht
Sonja Wehsely, Wiener Stadträtin für Gesundheit und Soziales, im Interview am 22.09.2016 in Wien.

Laut Wehsely dürfe man nicht immer nur über die Mindestsicherungsbezieher reden: "Wie kann es sein, dass die Löhne so niedrig sind, dass Menschen, die 40 Stunden pro Woche arbeiten, nicht davon leben können?" Unter Rot-Grün sei die Mindestsicherung in Wien zum arbeitslosen Grundeinkommen verkommen, kontert ÖVP-Gemeinderätin Ingrid Korosec. Sie führt folgendes Rechenbeispiel an: So würde eine vierköpfige Familie (der Mann verdient als Alleinverdiener 1500 Euro netto im Monat) inklusive aller Beihilfen und Zusatzleistungen pro Monat über ein Einkommen von 1974,72 Euro verfügen. Bei einer Familie mit Mindestsicherungsbezug seien es 2037,81 Euro, also 63 Euro mehr im Monat.

Der Umstand, dass Mindestsicherung zwölf Mal, das Gehalt aber 14-mal im Jahr ausgezahlt wird, sei berücksichtigt, betont man bei der ÖVP. "Wer arbeitet, muss am Ende des Tages mehr davon haben, als derjenige, der zur Gänze von Sozialleistung lebt", sagt Korosec. Im Büro Wehsely ortet man bei dem Beispiel der ÖVP eine Reihe von Ungereimtheiten. So sei etwa bei der Familie, die keine Mindestsicherung nicht klar, was die zweite Person macht.

"Die ÖVP will eine Mindestsicherung von 520 Euro für Wien", kontert Wehsely. "Diese schützt sicher nicht vor Armut."

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