Radler wollen weiter in Fuzo fahren

Null Konflikte auf der Mariahilfer Straße, dafür zwölf zur gleichen Zeit auf dem Ringradweg. Das ergab die Analyse der Rad-Vertreter.
Der Bürgermeister ist dagegen. Radlobby verweist auf Beispiele in anderen Städten - was ist Ihre Meinung?

In den kommenden Tagen will Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) den weiteren Fahrplan für die neue Mariahilfer Straße vorlegen. Der umstrittenste Punkt darin: die Radfahrer.

Bürgermeister Michael Häupl hat sich vergangene Woche einmal mehr festgelegt: Er ist gegen Radler in der Fußgängerzone. Auch sonst gibt es in der SPÖ nur wenige, die radeln in der Fußgängerzone befürworten.

Die Grünen hingegen wollen daran festhalten. „Wir sind der Meinung, dass Radfahren durch die Fußgängerzone im Schritttempo möglich ist. Das funktioniert auch in vielen anderen Städten“, heißt es aus dem Büro der Verkehrsstadträtin. Wasser auf die Mühlen der Rad-Vertreter.

Konfliktanalyse

„Die Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße ist ohne die Busspur absolut radtauglich“, sagt Alec Hager, Geschäftsführer der Radlobby Österreich. Um das zu untermauern, hat die Radlobby eine Radverkehrszählung samt Konfliktanalyse auf der Mariahilfer Straße und auf dem Ringradweg erstellt.

Das überraschende Ergebnis: Auf dem Ringradweg kam es laut Radlobby im Beobachtungszeitraum (eine Stunde im Abendverkehr) zu 12 Konflikten zwischen Radlern und Fußgängern, auf der Mariahilfer Straße gab es keinen. Und das, obwohl in dieser Stunde sogar mehr Radler (409) gezählt wurden, als am Ringradweg (393).

„Man sieht, dass sich die Mariahilfer Straße als Radverbindung etabliert hat. Sie ist durch Parallelrouten nicht ersetzbar“, sagt Hager.

Werde die Fußgängerzone umgebaut, werden die Radfahrer auch langsamer fahren, glaubt Hager. Dazu brauche es bauliche Maßnahmen. „Etwa eine Veränderung des Bodens, damit der Radler sofort weiß, dass er sich in einer Fußgängerzone befindet“, sagt Hager.

Bei der Schrittgeschwindigkeit plädiert sein Kollege Andrzej Felczak ein Anlehnen an die deutsche StVO. Schrittgeschwindigkeit ist dort mit „deutlich unter 20 km/h und unmittelbares Anhalten möglich“ definiert. „Der Radfahrer ist in der Fußgängerzone nur Gast und hat sich dementsprechend rücksichtsvoll zu verhalten. Das ist aufmerksamen Radlern aber auch mit 10 km/h möglich“, sagt Felczak.

Doch nicht jeder Radfahrer ist aufmerksam, wie auch die Mitglieder der Radlobby erfahren mussten. Just auf dem Weg zum Termin mit dem KURIER wären sie beinahe von einer Radlerin erfasst worden. Andere Fälle gingen weniger glimpflich aus (siehe unten).

Dass es einzelne Rowdy-Radler gibt bestreitet man nicht. „Es braucht sicher noch mehr Kommunikation“, sagt Hager. Allerdings: „Welcher Fußgänger ist noch nie von einem Auto auf dem Zebrastreifen geschnitten worden?“

Fußgängerbeauftragte

Unterstützung kommt von ungewöhnlicher Seite: So kann sich Wiens Fußgängerbeauftragte Petra Jens vorstellen, dass Radler weiter durch die Fußgängerzone fahren: „Allerdings nur, wenn diese nicht als Fahrradschnellverbindung wahrgenommen und genutzt wird.“ Der Radler müsse intuitiv wahrnehmen, dass er in der Fußgängerzone nur Gast sei.

Jens bestätigt im Übrigen die Analyse der Radfahrer: „Wir haben nur eine Handvoll Beschwerden zur Mariahilfer Straße bekommen, kein Vergleich zum Ringradweg.“

Noch einen Vergleich bringen die Radlobbyisten. In Laibach wird derzeit die größte Einkaufsstraße zur Fußgängerzone umgebaut. Dort sei Radfahren erlaubt und im Gegensatz zur Mariahilfer Straße kein Thema, berichtet der slowenische Radlobbist Matej Pehnec.

Wien sei wieder einmal anders. „Hier ist man problemorientierer“, sagt Hager.

Eine Begegnung der unfreundlichen Art erlebte Britta Neuper vergangene Woche im unteren Teil der neuen Mariahilfer Straße: „Ich war mit meiner vierjährigen Tochter auf dem Weg zu ihrem Tanzkurs in der Mariahilfer Straße 8“, erzählt Neuper. Beim Queren der Begegnungszone passierte es. Eine Radfahrerin sei mit „Höllentempo“ auf die beiden zugeradelt. „Sie hat nicht einmal gebremst, sondern fuhr zwischen meinem Kind und mir hindurch“, berichtet Neuper. Dabei habe sie den Roller des Kindes erfasst, worauf die Vierjährige zu Sturz kam und eine blutende Wunde an der Hand erlitt. Der Unfall passierte auf dem ehemaligen Zebrastreifen, „der intelligenterweise weggefräst wurde“, sagt Neuper.

„Die Radlerin hat nur gerufen, ob ich nicht besser aufpassen könne, und ist einfach weitergeradelt“, sagt Neuper empört. Sie schrieb ein Mail an den Neubauer Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger. Dieser bedauerte den Zwischenfall: „Das Verhalten dieser Radfahrerin ist inakzeptabel.“ Das Konzept der Begegnungszone beruhe auf gegenseitiger Rücksichtnahme. Bis zum Umbau werde man die Polizei bitten, dort genauer zu kontrollieren.

„Den Unfall zwischen der Radfahrerin und dem Kind bedauern wir sehr“, sagt auch Radfahr-Vertreter Alec Hager. Er möchte aber zur Verhältnismäßigkeit aufrufen: „Erst am 24. September wurde in Wien auf dem Gehsteig ein Kind von einem Auto erfasst und ist gestorben.“

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