Manfred Juraczka: Vom Wiener ÖVP-Chef zur Wirtschaftsagentur

PG ÖVP WIEN "NEUES ZUM GRÖSSTEN FINANZSKANDAL SEIT DER BAWAG-PLEITE": JURACZKA
Der streitbare SPÖ-Kritiker beendet seine Partei-Karriere, die ihn einst bis an die Wiener ÖVP-Spitze führte. Er wechselt vom Gemeinderat in die stadtnahe Wirtschaftsagentur.

Wie so viele beginnt auch diese Geschichte mit einer Enttäuschung: Denn eigentlich war Manfred Juraczka, der in den vergangenen Jahren mit seiner wortgewaltigen Kritik an der SPÖ auffiel, einst eine Art Großkoalitionär. Allerdings ein verhinderter.

Es war im Jahr 2011, als Juraczka den hauptberuflichen Sprung von der Privatwirtschaft in die Politik wagte. Der damalige Alcatel-Manager und Hernalser ÖVP-Chef wurde für seine Partei nicht-amtsführender Stadtrat in der rot-grünen Stadtregierung von Michael Häupl. Wenig später übernahm er (von Gabriele Tamandl) auch das undankbare Amt des Wiener ÖVP-Chefs.

Auf Häupl – so erzählen es jene, die es wissen müssen – hielt Juraczka große Stücke. Und auch der Bürgermeister schien an seinem schwarzen Gegenüber Gefallen zu finden. Zumindest soll er ihm den Eindruck vermittelt haben – und Juraczka im Glauben gelassen haben, er werde nach der Wien-Wahl 2015 nicht mehr mit den Grünen, sondern mit der ÖVP koalieren.

"Karotte vor die Nase gehalten"

Häupl habe Juraczka, erzählt man sich in SPÖ-Kreisen, „die Rolle als Juniorpartner immer als Karotte vor die Nase gehalten“. Nicht, weil er es wirklich ernst gemeint habe, sondern um allzu heftige Attacken aus dem bürgerlichen Lager zu verhindern.

Juraczka wähnte sich also schon auf dem Weg zum Vizebürgermeister, als nach der Wien-Wahl 2015 alles anders kam. Häupl erneuerte den Bund mit den Grünen und ließ die Wiener ÖVP mit dem historisch schlechtesten Ergebnis von 9,2 Prozent im Regen stehen. Juraczka legte sein Amt als Wiener Parteichef nieder und machten den Weg frei für Gernot Blümel.

Im Wiener Gemeinderat aber blieb er – zuerst als Klubchef, dann als einfacher Mandatar. Und rasch fiel auf: Seine Tonalität gegenüber der SPÖ wandelte sich. Juraczka trug den türkisen Kurs unter Sebastian Kurz mit, knüpfte Bande mit dem ÖVP-Enfant-terrible Laura Sachslehner und näherte sich politisch der FPÖ an.

Gut vernetzt und kritisch

In den vergangenen Jahren sollte er zu einem der schärfsten Kritiker des roten Wien werden. Vor allem in Sachen Finanz- und Wirtschaftspolitik ließ er kein gutes Haar an der SPÖ. Einer seiner Lieblingsgegner war der damalige Stadtrat Peter Hanke, gegen dessen (erfolglose) „Stolz auf Wien“-GmbH er an vorderster Front kämpfte. Er saß in der U-Kommission zum Wien-Energie-Skandal. Und auch sonst rückte er immer aus, um türkise Kernthemen zu bearbeiten – etwa, wenn es um Gebührenerhöhungen und das Parkpickerl ging.

Zunehmend entwickelte sich der Ex-Parteichef zu einem der gewitztesten und härtesten Redner im Gemeinderat, Zynismus ist ihm nicht gerade fremd. Lang vorbei die Zeiten, in denen ihm die damalige Parteikollegin und Bezirkschefin Ursula Stenzel ausrichtete, dass er „in Interviews keinen geraden Satz“ herausbekomme. (Dass Stenzel 2015 nicht mehr für die ÖVP antreten durfte, geht übrigens auf Juraczka zurück; man schied im Unfrieden. An ihre Stelle in der City setzte er den heutigen ÖVP-Wien-Chef Markus Figl.)

Spitzenverdiener in der Stadtpolitik

Ein streitbarer Charakter war der heute 56-Jährige immer schon, hemdsärmelig – und irgendwann auch innovativ. Das Wahlergebnis von 2015 hatte sich schon vor Juraczkas Übernahme der Partei abgezeichnet, er musste es ausbaden. Er versuchte noch (erfolglos) gegenzusteuern, indem er die ÖVP als „liberale Stadtpartei“ positionierte und das Thema Wirtschaft propagierte. Vielleicht war Juraczka damit nur ein paar Jahre zu früh dran. (Ob seine damalige Wahlkampf-DJ-Tour „Manfreds Nachtflug“ irgendwann je ihre Zeit gehabt hätte, bleibt unbeantwortet.)

Mit der ÖVP unter Karl Mahrer konnte Juraczka nur wenig anfangen. Neben dem Amt als Dritter Landtagspräsident (von 2020 bis 2025) wandte er sich wieder der Privatwirtschaft zu – zuletzt als Geschäftsführer des Fontana Resort in Oberwaltersdorf. Er wurde so zum Spitzenverdiener in der Stadtpolitik. Er meldete zuletzt Nebenverdienste in der zweithöchsten Kategorie, also zwischen 8.000 und 12.000 Euro brutto im Monat.

Rote Präsidentin

So kontroversiell Juraczka seine Polit-Karriere auch gestaltete: An seiner Expertise in Sachen Wirtschaft zweifelten nicht mal seine internen wie externen Kritiker.

Somit bleibt abzuwarten, wie er sein neues Amt anlegen wird: Er verkündete am Montag seinen Ausstieg aus der Politik – und ist ab sofort zweiter Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur. Ihre Aufgabe ist es, den Standort zu stärken und Unternehmen zu fördern, zu vernetzen oder bei der Ansiedelung zu unterstützen. Pikant ist, wer das Sagen hat: Das Präsidium wird überwiegend von der Stadtregierung – konkret der SPÖ – gestellt, als Präsidentin fungiert Wirtschaftsstadträtin Barbara Novak.

Operativer Leiter ist Dominic Weiss, der zuvor im großen Reich der Wien Holding werkte – ein SPÖ-Mann also. Juraczka kam an den zweiten Geschäftsführerposten auf einem Ticket der Wirtschaftskammer Wien. Diese hat die Agentur 1982 mitbegründet, Wirtschaftskammerchef Walter Ruck ist Präsidiumsmitglied. Das Präsidium hat Juraczka einstimmig bestätigt.

An Stadträtin Novak ließ Juraczka in den vergangenen Jahren selten ein gutes Haar. Noch vor wenigen Monaten warf er ihr „Reformverweigerung“ vor, ihr Budget nannte er „eine Farce“.

„Bin jetzt Dienstleister“

Und jetzt? „Ich verstehe meine neue Aufgabe in der Wirtschaftsagentur als Dienstleister für die Wiener Wirtschaft“, sagt Juraczka auf KURIER-Anfrage. „Und damit stehe ich selbstverständlich hinter dem Ziel von Stadträtin Barbara Novak, den Wirtschaftsstandort zu attraktivieren.“ Als einige seiner zentralen Schwerpunkte im neuen Job nennt er „die digitale Transformation, Life Sciences und das Thema der Grätzelwirtschaft“.

Übrigens: Seinen Posten als Hernalser ÖVP-Bezirksparteichef will Juraczka vorerst behalten. „Ich wurde in dieses Amt bis 2028 bestellt und ich stelle mich dieser Verantwortung.“ Aber: „Mein berufliches Herz schlägt jetzt ausschließlich auch sehr stark für den Wirtschaftsstandort.“

Juraczka ist also wieder ein Großkoalitionär. Bleibt zu hoffen, dass er nicht noch einmal enttäuscht wird.

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