Lueger-Denkmal: "Ungeheuerliche Würdigung eines Antisemiten"

Lueger-Denkmal: "Ungeheuerliche Würdigung eines Antisemiten"
Angewandte, jüdische Hochschüler und eine Künstlergruppe fordern die Entfernung oder zumindest eine Umbenennung seines Platzes.

"Der Antisemitismus wird erst dann zugrunde gehen, wenn der letzte Jude zugrunde gegangen sein wird."

Dieser Satz stammt vom späteren christlich-sozialen Wiener Bürgermeister Karl Lueger, ausgesprochen am 26. Mai 1894 in der Sitzung des Hauses der Abgeordneten des österreichischen Reichsrats, festgehalten im stenografischen Protokoll auf Seite 14.622. Und wieder in Erinnerung gerufen von Gerald Bast, dem Rektor der Universität für angewandte Kunst.

Vor einer Woche stand Bast vor dem Lueger-Denkmal am gleichnamigen Platz beim Stubentor und las Original-Zitate des einstigen Bürgermeisters vor. Sein Vortrag – ein Zeichen des Protests gegen eine Verherrlichung Luegers, die in Wien in Form eines Denkmals zur Schau gestellt werde – noch immer, wie Bast findet. Obwohl bekannt ist, dass Luegers Antisemitismus unter anderem den Weg für Adolf Hitlers Nationalsozialismus ebnete. „Entweder das ist zu abstrakt oder wir sind zu abgebrüht“, sagte Bast.

Platz machen

Dass das Denkmal für Lueger noch immer da – auf dem Karl-Lueger-Platz – steht, dass Menschen an dieser Adresse wohnen und arbeiten müssen, daran stößt sich Bast. Und nicht nur er.

Gemeinsam mit der jüdischen Hochschülerinnenschaft, der Künstlergruppe Schandwache und Ensemblemitgliedern von Burg- und Volkstheater protestieren Vertreterinnen und Vertreter der Angewandten unter dem Motto „Platz da!“ für die Umbenennung des Lueger-Platzes. Seit 16. Mai immer am Montag und immer ab 17 Uhr ungefähr eine dreiviertel Stunde lang. Direkt vor dem Denkmal lesen Künstler, Schauspieler und Intellektuelle Original-Zitate Luegers und Textbeiträge unter anderem von Künstler Eduard Freudmann, Germanist Simon Nagy und Architektin Gabu Heindl, die zur Diskussion rund um Platz und Denkmal erschienen sind.

Lueger-Denkmal: "Ungeheuerliche Würdigung eines Antisemiten"

Doron Rabinovici kam am ersten Montag, Cornelius Obonya am zweiten Montag. Arrangiert wurde die Lesung von Gerhild Steinbuch, Schriftstellerin und Professorin an der Angewandten. „Wir bleiben solange da, bis es ein konkretes Bekenntnis zur Umbenennung gibt“, sagt sie. Dass ein Antisemit an so prominenter Stelle in der Stadt gewürdigt wird, sei „ungeheuerlich“.

2009 schrieb die Angewandte erstmals die Umgestaltung des Denkmals aus, doch umgesetzt werden konnte bis jetzt nichts. 2016 ließen der damalige Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) und der Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, Markus Figl (ÖVP), eine Zusatztafel anbringen. Die aktuelle Kulturstadträtin, Veronica Kaup-Hasler, ließ im KURIER-Interview jüngst wissen, dass sie „gegen das Wegräumen von Denkmälern“ ist, denn: „Menschen, die etwas wegräumen wollen, löschen auch Geschichte aus.“

Cancel Culture

Wer das Lueger-Denkmal entfernen lässt, bedient sich also der berüchtigten Cancel Culture, der Kultur der Zensur, weil – salopp gesagt – einmal da gewesene Meinungen nicht mehr so prominent sind?

„Das Argument setzt der Diskussion ein Ende und ist diffamierend“, sagt Tanja Schult. Die Kunsthistorikerin der Universität Stockholm verbringt gerade ein Forschungsjahr an der Akademie der Wissenschaften, unterstützt den Protest vor dem Lueger-Denkmal und spricht sich „tendenziell“ dafür aus, das Denkmal zu entfernen. „Viele Menschen sprechen sich für die Entfernung aus, weil sie ein historisches Bewusstsein dafür entwickelt haben, dass Luegers Antisemitismus ihn für alle Zeit diskreditiert hat“, sagt sie. Und er die Ehrung durch ein Personendenkmal deshalb nicht verdiene. „Es gibt keinen Grund, an diesem Denkmal festzuhalten. Worauf wartet Wien?“, fragte Schult vergangenen Montag.

Auf die Ausschreibung zum Wettbewerb für die Umgestaltung des Denkmals. Die hat Kulturstadträtin Kaup-Hasler für Herbst angekündigt. Der Ausschreibungstext ist für Schult entscheidend: Er werde zeigen, ob den Künstlerinnen und Künstler alle Freiheit gelassen wird. Und dazu gehöre auch die „mögliche Neu- oder Weggestaltung“.

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