Ende einer Ära? Für das Kultlokal Tunnel wird Nachfolger gesucht

Innenansicht des Lokals Tunnel in Wien
Wird bis Jahresende niemand gefunden, wird im Kultlokal keine Musik mehr gespielt.

Es soll ja Menschen geben, die in Wien wohnen oder gewohnt haben und den Tunnel nicht kennen. Doch die sind wohl die Ausnahme.

Insbesondere bei Studentinnen und Studenten ist das Kultlokal seit den 80er-Jahren ein Begriff.

Doch jetzt könnte die Institution in der Florianigasse bald nicht mehr Kult sein. Hintergrund: Der 70-jährige Hans Litsauer will aufhören, weshalb er einen Makler beauftragt hat, einen Nachfolger zu finden.  Allerdings meldete sich niemand, der den Club weiterführen wollte – Interessenten wollen das Lokal anderweitig nutzen. Das freute Litsauer gar nicht.

In seiner Not wandte er sich in einem Facebook-Post an seine Fans.

Falls sich niemand findet, dann . . . 

Was sie da lesen mussten, hat viele entsetzt: Sollte sich bis Jahresende niemand finden, der die Event-Location weiterführt, "müssen und werden wir auch mit all jenen Übernahmeinteressierten verhandeln, die andere Betriebszwecke verfolgen".

Konkret heißt das: Keine Jazz-Konzerte mehr, keine Vorstellungen mit Größen wie Maria Bill, Otto Lechner oder Erika Pluhar mehr. Erinnerungen, die auch Hans Litsauer wehmütig werden lassen: "Willi Resetarits hatte noch drei Monate vor seinem Tod einen Auftritt bei uns – gemeinsam mit seinem Freund Ernst Molden."

Wer den Tunnel besucht

So unterschiedlich die Künstler, so verschieden das Publikum: "Es kommen nicht nur Studentinnen und Studenten zu uns, auch viele, die jenseits der 40 oder 50 sind, kommen in den legendären Tunnel", erzählt der Chef.

Manchmal sind es auch ganze Familien. "Es ist nicht erst einmal vorgekommen, dass uns Eltern mit ihren Kindern aus den Bundesländern besucht haben, um ihrem Nachwuchs zu zeigen, wo sie sich kennengelernt haben", sagt Hans Litsauer.

Willi Resetarits hatte noch drei Monate vor seinem Tod einen Auftritt bei uns – gemeinsam mit seinem Freund Ernst Molden.

von Hans Litsauer

Litsauer selbst hat das legendäre Lokal 2014 übernommen. "Damals war das Musiklokal ziemlich herumgekommen und so wie heute vom Zusperren bedroht", erinnert er sich heute.

Neo-Lokalbetreiber mit 59 Jahren

Der Betriebswirt, der bis dahin noch keine Erfahrung in der Gastronomie hatte, wollte es damals mit seinen 59 Jahren noch einmal wissen: "Jahrelang war ich Unternehmensberater und Lektor an der Universität. Kurz bevor ich den Tunnel übernahm, arbeitete ich beim Krankenanstaltenverbund", berichtet er.

Dann stieß er auf eine Anzeige, dass ein 700 Quadratmeter großes Veranstaltungslokal in einem Wohnhaus zu vermieten sei.

"Damals wusste ich noch nicht, dass es sich um den legendären Tunnel handelt." Doch als er die Adresse erfuhr, war ihm sofort klar, welches Juwel da angeboten wurde.

Litsauer kennt die Gegend schließlich gut: "Mein Sohn betreibt in der Nähe sehr erfolgreich die Tapas Bar Puerta del Sol. Die ist ständig ausgebucht", sagt der Papa nicht ohne Stolz.

Mit 70 ist Schluss

Für den Senior ist aber klar, dass mit 70 Jahren jetzt wirklich Schluss ist. "Erfreulich ist, dass sich auf meinen Facebook-Aufruf doch ein paar Interessenten gefunden haben, die in den nächsten Tagen auch kommen, um sich das Lokal anzuschauen."

Da hört man bei dem Lokalbetreiber dann doch eine gewisse Erleichterung durch. Fix ist aber noch lange nichts.

Freude über jede (ernst gemeinte) Anfrage

Litsauer freut sich deshalb über jede neue ernst gemeinte Anfrage von Menschen, die das Kultlokal erhalten und die Tradition weiter pflegen wollen.

Ob das gelingt? Tunnel-Fans werden hoffentlich bald eine Antwort haben – spätestens Ende des Jahres.

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