Lobautunnel: Darum raten Experten vom Lobautunnel ab

Lobau
Gewessler ist für Streichung des Projekts aus dem Straßenbaugesetz. Der Alternativvorschlag sieht den Ausbau der Öffis und des Güterverkehrs vor.

Zwei Jahre hat es gedauert, nun liegt sie vor: die von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Jahr 2022 eingeleitete „Strategische Prüfung Verkehr“ (SP-V) zur Verlängerung der S1 zwischen Schwechat und Süßenbrunn samt Lobautunnel

Untersucht wurden darin die Vor- und Nachteile des Lückenschlusses sowie weiterer drei Alternativen. Das Ergebnis dieses Berichts, den das Umweltbundesamt in Kooperation mit der TU Graz und der TU Wien umgesetzt hat, ist eindeutig: Es wird empfohlen, das Projekt nicht umzusetzen.  

Lobautunnel: Darum raten Experten vom Lobautunnel ab

Laut 500-seitigem Bericht Tunnel-Variante schlechteste Lösung

Die Verlängerung der S1 sei nämlich „in fast allen untersuchten Belangen den Alternativen unterlegen“, heißt es in dem 500 Seiten dicken Bericht. Neben den negativen Auswirkungen auf Umwelt, Klima und die Raumstruktur führe die Umsetzung außerdem zu zusätzlichen Verkehrsbelastungen. 

„Man kann es als empirisches Grundgesetz der Verkehrsplanung bezeichnen“, sagt Michael Getzner von der TU Wien, der an dem Bericht mitgearbeitet hat. „Es gibt keine Straße, die das Verkehrsvolumen reduziert hat. Durch einen Ausbau der Kapazitäten kriege ich nicht weniger Verkehr, sondern klarerweise mehr.“

Positive Effekte auf die Wirtschaft seien durch einen Ausbau ebenso nicht zu erwarten: „Wenn ich ein Gebiet erschließe, wo es keine transportkostenintensiven Branchen gibt, ist keine wirtschaftliche Wirkung vorhanden. Und mir wäre nicht bekannt, dass dort ein Stahlwerk hinkommt“, sagt Getzner.

Mehr Öffis, Fußgänger- und Radwege

Statt der Verlängerung der S1 und dem Bau des Lobautunnels rät der Bericht dazu, den öffentlichen Verkehr in dem betroffenen Bereich verstärkt auszubauen. Zusätzliche Verkehrsentlastung soll durch mehr Rad- und Fußgängerwege, einer verbesserten Parkraumbewirtschaftung sowie einer Bepreisung des Straßenverkehrs erzielt werden. „Dadurch würde sogar das Verkehrsvolumen auf der Tangente abnehmen“, sagt Getzner.

1994: Seitens der ÖVP gibt es den ersten Vorschlag für eine „Nordost-Umfahrung“

2002: Die Stadt Wien startet erste Entwurfsplanungen für eine sechste Donauquerung

2003: Das Ergebnis einer„Strategischen Umweltprüfung“ liegt vor, bei der diverse Varianten geprüft wurden

2005: Die Asfinag präsentiert erste Pläne und rechnet mit einer Fertigstellung im Jahr 2014. Daraus wird nichts, es folgen Verfahren und Gutachten

2015: Die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Außenring-Schnellstraße samt Tunnel wird positiv abgeschlossen. Umweltschützer reichen Beschwerde ein

2018: Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt die Baugenehmigung in letzter Instanz. Baustart soll 
nun 2019 sein, veranschlagt sind 1,9 Milliarden Euro

2021: Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) lässt das Asfinag-Bauprogramm einem „Klimacheck“ unterziehen und gibt im selben Jahr das Aus für 
die Umfahrung bekannt

2022: Gewessler veranlasst eine „strategische Prüfung“, um das Projekt aus dem Bundesstraßengesetz streichen zu können

2023: Verfahren zu Wasser- und Naturschutzbescheiden laufen im Hintergrund weiter

Änderung bräuchte Mehrheit im Nationalrat

Einfach so kann das Projekt aber nicht abgesagt werden: Der 19 Kilometer lange Ausbau ist als Lückenschluss im Regionen-Autobahnring rund um die Stadt Wien im Bundesstraßengesetz vorgesehen. Eine Änderung des Gesetzes bräuchte eine Mehrheit im Nationalrat, was derzeit unwahrscheinlich erscheint. 

Oder anders formuliert: „Die Wahrscheinlichkeit, dass der Lobautunnel gebaut wird, hat sich durch die vom Ministerium beauftragte Studie nicht verringert“, sagt Politikwissenschaftler Peter Filzmaier.  
Eines aber habe der Bericht schon gebracht: „Die Wiener Grünen haben nun ihr Wahlkampfthema. Sogar eines, bei dem sie die Themenführerschaft haben“, sagt Filzmaier. 

Kein Wunder also, dass die Wiener Grünen in einer Aussendung von „guten Nachrichten“ sprechen und fordern, „dass die aktuellen Verhandlerinnen und Verhandler der neuen Bundesregierung dieses Ergebnis akzeptieren“. Zuspruch erhielt der Bericht auch von verschiedenen Umweltschutzorganisationen wie Global 2000, dem WWF oder Greenpeace.

Gegenwind aus Wien und Niederösterreich

Gegenwind kam hingegen von der SPÖ Wien: „Das nun vorliegende Papier aus dem Hause der Ministerin ändert nichts an der bestehenden Rechtslage. Alle Genehmigungsverfahren für die Nordostumfahrung sind auch in den letzten Jahren ungestört weitergelaufen.“ 

Die Volkspartei Niederösterreich sieht in dem Bericht sogar „einen weiteren Frontalangriff gegen Tausende Pendlerinnen und Pendler“.

Kommentare