Bauern fürchten wegen Lobauautobahn um Existenz: "Dann bin ich tot"

Noch herrscht dort, wo die Großstadt Wien mit freiem Auge kaum erkennbar in die Kleinstadt Schwechat übergeht, dörfliche Ruhe. Ab und zu tuckert ein Traktor durch die Mannswörther Straße. Andere landwirtschaftliche Maschinen parken vor den Straßendorf-Häusern. Dahinter: Glashäuser und auch noch Ackerflächen.
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Doch es rumort lautstark unter Bauern und Gärtnern der Wiener Katastralgemeinde Albern und der nö. Katastralgemeinde Mannswörth. Die geplante Schnellstraße (S1) wirft ihren Schatten voraus.
Die Aussicht, dass die S1 nach Norden verlängert wird, sorgt bei Leopold Brazda junior für Sorgenfalten. Der Gemüse-Produzent in dritter Generation bewirtschaftet in seinen Glas- und Folienhäusern an der Schloßmühlstraße in Schwechat vor allem Paprika in allen Formen und Farben.
Der Bau der Lobauautobahn birgt für für einige Bauern eine sehr reale Gefahr, die - sollte sie Realität werden - ihre Existenz bedroht, wie sie bei einem KURIER-Lokalaugenschein berichten.
Wichtig ist Brazda ebenso wie seinen Nachbarn festzuhalten: "Wir sind nicht grundsätzlich gegen die Schnellstraße, wir benützen selbst das Auto. Unser großes Problem ist aber die durchaus reale Gefahr, dass während der Bauphase der Grundwasserspiegel absinkt." Für einige Bauern in der Umgebung wäre das der absolute Albtraum.
Brazda: "Dann bin ich tot"
Für den Tunnel und für die Zufahrten müsse viel Erdmasse ausgehoben werden. Trotz der Bedenken, ärgert er sich, "haben die Betreiber der geplanten Straße dieses Szenario nicht berücksichtigt". Sein absoluter Albtraum: "Zwei Stunden kein Wasser für meine Paprika, dann ist alles kaputt und mir fällt der Ertrag für ein Jahr aus. Dann bin ich tot."
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Das Ehepaar Robert und Christina Ölzant bringt nur ein paar Häuser weiter Rosen zum Blühen, und das bereits in vierter Generation. "Wir sind einer der letzten noch aktiven Betriebe in Österreich, die Schnittrosen herstellen", sagt Robert Ölzant stolz.
Auch er erwartet – wenige Meter von der Flughafenautobahn (A4) entfernt – das Absinken des Grundwasserspiegels: "Mit dem neuen Tunnel soll die Aulandschaft geschützt werden, dieses Argument kann ich nachvollziehen." Jedoch: "Wenn es kein Wasser für Menschen und Lebewesen mehr gibt, worin besteht dann der tiefere Sinn dieses Großprojekts?"
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Gerade einmal 15 Meter liegen zwischen der Grundstücksgrenze von Christian Klimesch und der projektierten Auffahrt der S1 auf die A4. Der Schwechater Gärtner erntet – ebenfalls in vierter Generation – rund eine Million Gurken pro Jahr.
Rückhalt in der Bevölkerung „überschaubar“
Klimesch sorgt sich auch vor der zu erwartenden Staubentwicklung während der Bauphase, die sich über mehrere Jahre hinziehen soll: "Schon jetzt staubt’s – wenn es nicht regnet – von der Autobahn ordentlich auf unsere Felder." Ihn ärgert, dass es für die bedrohten Betriebe keine starke Lobby gibt. Auch der Rückhalt in der Bevölkerung, die gerne zu lokalem Gemüse greift, sei "überschaubar".
Geplanter Lückenschluss: Laut Bundesstraßengesetz ist die 19 Kilometer lange Verlängerung der S1 zwischen Schwechat und Süßenbrunn (mit dem Tunnel Lobau) als Lückenschluss im Regionen-Autobahnring rund um die Stadt Wien vorgesehen.
Weiterhin Aufregung: Seit zwei Jahren wird gegen den Lobautunnel massiv protestiert.
Von Semmering bis Simmering: Die Landwirte in Simmering und Schwechat beziehen sich auf die Grundwasser-Probleme beim Bau des Semmering-Bahntunnel.
Unmittelbar betroffen von der Errichtung der neuen Schnellstraße wäre auch Josef Silberbauer, Bauer und Gärtner in fünfter Generation. Sein Betrieb befindet sich an der Mannswörther Straße, noch auf Wiener Stadtgebiet.
Silberbauer rechnet, dass er durch das neue Straßenstück ein Drittel seiner Anbauflächen verlieren wird. Und er befürchtet, dass er dann die ihm verbleibenden Flächen nicht mehr ausreichend bewässern kann. Da sein Sohn den Nachbarbetrieb bewirtschaftet, ist seine ernste Miene leicht nachvollziehbar: "Die Lebensgrundlage unserer Familie ist mehr als nur bedroht."
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