Licht und Schatten rund um die Mariahilfer Straße

Wirtschaftsbund-Obmann Michael Weinwurm steht allein in den Seitengassen.
Während die Umsätze in der Fußgängerzone wieder steigen, kämpfen die Unternehmer in den Seitengassen um Kunden.

An schnelles Weiterkommen ist an diesem sonnigen Nachmittag nicht zu denken. Menschenmassen schieben sich durch die Mariahilfer Straße. Michael Weinwurm biegt nach links in die Zollergasse ab. Dort ist er praktisch alleine. Seit dem Umbau würden viele Menschen nur noch zum Flanieren in die Fußgängerzone kommen, sagt der Obmann der Neubauer Wirtschaftsbundes: "Schauen Sie sich um. Ich sehe viele Leute, aber keine Einkaufssackerln."

Die Seitengassen leiden dagegen unter dem neuen Verkehrskonzept: "Wir haben hier viele Spezialisten, die jetzt nicht mehr so leicht erreichbar sind."

Das bestätigt auch Kosmetikerin Helga Maurer, die ihren Laden in der Zollergasse hat. "Es kennt sich keiner aus hier, jeden Tag gibt es ein Verkehrschaos. Die Stammkunden sind geblieben, aber die Laufkundschaft ist weg."

Minus 40 Prozent

Gleich nebenan verkauft Borko Cirkovic in seinem Protein-Store Bodybuilding-Produkte. "Ich habe seit dem Umbau 40 Prozent Umsatzrückgang", klagt er. "Meine Kunden kaufen oft große Behälter von mehreren Kilo, die will man nicht in der U-Bahn nach Hause schleppen." Dazu komme die Konkurrenz aus dem Internet. Durch den Umbau und die hohen Mieten könnten sich nur noch große Ketten die Miete leisten. "Die Kleinen werden zerstört."

Auch für Rainer Trefelik, Obmann der Sparte Handel in der Wiener Wirtschaftskammer, ist das Hauptproblem die Erreichbarkeit. "Anrainerparkplätze dürfen für Unternehmer und deren Kunden untertags nicht verwendet werden, selbst wenn sie leer stehen und man nur für 15 Minuten etwas einladen muss." Neben den Querungen fehle ein ganzheitlicher Ansatz, wie man das Zusammenleben zwischen Anrainern, Unternehmern und Kunden regeln könnte.

Thomas Blimlinger, grüner Bezirksvorsteher von Neubau, sieht das Problem nicht. "Es ist sehr branchenabhängig, ob die Händler zufrieden sind oder nicht." Veränderung gebe es aber immer. "Vielleicht liegt es auch daran, das der Online-Handel zweistellig steigt, und die Wirtschaftskammer keine Antwort darauf hat."

Die fehlenden Querungen sieht er nicht als Grund für die Flaute. "Man kann immer Verbesserungen machen, aber zu glauben, dass man mit Querungen das Riesengeschäft kommt, ist absurd."

Licht und Schatten rund um die Mariahilfer Straße
Mariahilfer Straße, Nebengassen, Reportage
Fragt man Barbara Sickenberg vom Geschirrgeschäft Niessner, erntet man einen großen Seufzer: "Viele Kunden beschweren sich über die Anfahrt, die Navis kennen sich nicht aus." Seit fünf Generationen führt ihre Familie das Unternehmen – mit einer Leidenschaft, die man sonst vermisst. Während des Umbaus war es eine Katastrophe, erzählt Sickenberg, aber mittlerweile laufe das Geschäft wieder halbwegs. Allerdings: "Wir profitieren sicher davon, dass es den Slama auf der Mariahilfer Straße nicht mehr gibt."

Das Traditionsgeschäft hatte sich Ende 2013 verabschiedet. Daran, deren Geschäftslokal zu übernehmen, hat Sickenberg dennoch nie gedacht. "Ich könnte mir die Miete dort nie leisten – sie ist viel zu hoch."

Designerin Ulrike Kogelmüller, die ihren Shop Ulliko in der Kirchengasse hat, ist hingegen zufrieden. "Der Großteil meiner Kunden ist Stammkundschaft." Der Trend auf der Mariahilfer Straße zu mehr günstiger Kleidung stört sie nicht. "Diese Kundschaft kommt gar nicht zu mir. Beim H&M kostet ein T-Shirt 7, bei mir 70€."

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