Leopoldstadt: Die Gesichter einer Auslöschung

Gisela Garber, Taborstraße 51
31.000 Juden aus dem Bezirk wurden ermordet. Ihre letzten Adressen und Fotos sind jetzt online

Es ist ein spezieller Spaziergang durch die Vergangenheit des zweiten Wiener Gemeindebezirks. Ein Gang durch eine Zeit, als die Nazis all jene Juden, die noch nicht geflohen oder untergetaucht waren, registrierten, sie in Sammelhäusern zusammenpferchten um sie wenig später in die Konzentrationslager zu verfrachten. 31.000 Juden waren es allein in der Leopoldstadt. Doch hinter den Zahlen stehen Gesichter. Und Adressen.

Projektleiter und Historiker Wolfgang Schellenbacher vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) hat sie den Opfern zurückgegeben.

Datenbank

Leopoldstadt: Die Gesichter einer Auslöschung

Was man für den Spaziergang braucht? Ein normales Smartphone oder ein Tablet. Einen Straßennamen, eine Hausnummer oder einen Namen.

Beispiel Untere Donaustraße 39: Hier befanden sich Sammelwohnungen – Juden wurden hierher zwangsumgesiedelt. 36 Namen finden sich auf dieser Adresse. Darunter der von Rosa Geiringer, die in Auschwitz ums Leben kam oder der von Jakob Heftler, der in Theresienstadt starb – dazu ein Auszug aus der „Transportliste“. Noch auffälliger ist die Anzahl der Juden, die zuletzt in der Novaragasse gemeldet waren – insgesamt 247 Personen. „Sie haben das Haustor aufgerissen, an den Türen geläutet. Unten standen Autos, in die wurden die Leute verladen“, schilderte ein Überlebender. Ein anderer erinnert sich: „In dem Lager waren Matratzen, auf denen die Leute geschlafen haben, bis sie weggebracht worden sind.“

„Es war uns ein Anliegen, den Personen ein Bild zu geben“, sagt Schellenbacher. Fündig wurde man im eigenen Archiv, in den Karteien der Gestapo, dem Nationalarchiv in Prag, aber auch in Belgien.

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Amalia Ritter, Praterstraße 38

Jüdisches Leben

Leopoldstadt: Die Gesichter einer Auslöschung

Otto Pick, Große Mohrengasse 3b

Der zweite Bezirk sei „speziell“, sagt er. „Wegen der großen Anzahl jüdischer Bewohner.“ Das jüdische Leben spielte sich Im Werd, in der Leopoldsgasse und am Karmelitermarkt ab. In manchen Straßenzügen wohnten in jedem Haus Juden – etwa in der Rembrandtstraße. 185.000 Juden lebten im Jahr 1938 in Wien. 66.500 wurden während des Holocaust ermordet. „Zwei Drittel jener, die aus Wien deportiert wurden, lebten zuletzt in der Leopoldstadt“, sagt die Grüne Bezirksvorsteherin Uschi Lichtenegger.

Deshalb sei das Projekt auch eine Mammutaufgabe gewesen. Und die ist noch nicht abgeschlossen. Wie bereits im ersten Bezirk sollen auch noch weitere Nazi-Opfer in die Online-Kartei aufgenommen werden. Darunter politisch Verfolgte, Roma und Sinti und Homosexuelle.

Und: Das Projekt soll noch im kommenden November über weitere Bezirke ausgedehnt werden. Doch es wird wohl keine Stadt-weite Datenbank zustande kommen – denn um das Projekt zu finanzieren, müssen auch die Bezirke mitzahlen. Ein Bezirk, in dem das bereits abgelehnt wurde, ist Döbling.

Internet: www.memento.wien

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Gisela Czerner, Czerningasse 8

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