Brettspieler sprechen nicht. Weder miteinander, noch zu sich selbst.
Auch im Spielraum der Wienxtra Spielebox in der Albertgasse im 8. Bezirk ist von den Brettspielliebhabern, die sich Freitagabend zur „Langen Nacht der Spiele“ getroffen haben, kaum etwas zu hören. Kästen, in denen sich bunte Kartons stapeln, stehen an den Wänden. Tubyrinth und San Gimignano, nicht etwa die Namen bekannter italienischer Weine, sondern Brettspiele für Kenner befinden sich darin. Einige besonders feine Stücke stehen sogar schön präsentiert auf einem Extratisch.
Leise ist es, weil die Spieler wachsam sein müssen. Und konzentriert. Eine Partie verlieren will hier niemand. Geschweige denn, das Spiel nicht verstehen.
Einmal jährlich veranstaltet die Kinder- und Jugendorganisation Wienxtra an drei Standorten eine Spielenacht. Vom frühen Abend bis tief in die Nacht können sich Brettspielfreunde ab 16 Jahren hier durch Klassiker und Neuerscheinungen spielen.
Mensch ärgere dich nicht oder Monopoly spielt aber niemand. „Wir probieren nur Neues aus. Vielleicht, um es nachzukaufen“, sagt Markus. Er sitzt gerade vor einer Partie Step by step – ein Würfelspiel, bei dem die eigene Figur schnellstmöglich das Ziel erreichen muss. Auf dem Weg dorthin muss man aber einiges riskieren.
Die Spiele vorab zu testen, sei angesichts der unzähligen Neuerscheinungen jedes Jahr durchaus eine kluge Idee, sagt Sonnja Altrichter, Leiterin der Spielebox. Um die70 Euro kosten einige der hier ausgestellten Spiele.
Die Spiele, die gespielt werden, sind kleinteilig und komplex. Immer wieder hört man jemanden die Spielanleitung aus dem Karton kramen und daraus vorlesen – leise versteht sich. Nur die eigene Spielerunde kann die Worte verstehen.
Hin und wieder schaut aber auch Spielleiter Dennis in seinem orangen „Agricola“-T-Shirt vorbei. Ein Spiel, das er selbst sogar bei Brettspielwettbewerben spielt.
Gerade erklärt er Stephan und seinen zwei Freunden, die sich für Spiele über Österreich interessieren, das Expertenspiel Grand Austria Hotel. Ein Spiel mit kleinen Feldern, kleinen Würfeln und kleinen Blättchen. Allein der Aufbau dürfte ungeübten Spielern den Schweiß auf die Stirn treiben. Die lange Spielanleitung gibt einem dann den Rest. „Hätte man das Spiel zu Hause, würde man die Anleitung für jeden Spieler kopieren, sodass jeder immer drauf schauen kann“, sagt Dennis, während er zwei eng beschriebene DIN A4-Blätter in die Höhe hält.
Für routinierte Spieler aber sind neue Spiele eine Herausforderung. Ein Abenteuer. Man tauscht sich aus. Über die Neuerscheinungen, über Trends und Sondereditionen.
Auf der Gästeliste
Aufgrund der Pandemie müsse man sich, wie in einem Club, auf die Gästeliste setzten lassen. Kurzentschlossene bekommen selten einen Platz. Das führe unter anderem aber auch dazu, dass vor allem befreundete Gruppen zum Spielen kommen. „Wir schauen zwar schon darauf, auch Einzelpersonen einzubinden, forcieren es aber nicht. Schließlich steht und fällt das Spiel damit, sich zu kennen – und dem gemeinsamen Humor.“
Leichter findet man Mitspieler im Wienxtra-Standort in der Babenbergerstraße. Statt Brettspielen stehen hier Escape Room-, Detektiv- und Partyspiele auf dem Plan.
Das verändert auch den Lärmpegel. Die Stimmung ist gelöster, es gibt Getränke. Leise geht es demnach hier nicht zu. Vielleicht liegt es daran, dass man in diesem Genre nur bestehen kann, wenn man als Team ausgiebig kommuniziert – vielleicht liegt es aber auch an der fortgeschrittenen Stunde.
Sabine, Johannes und Stefanie etwa haben sich um 23 Uhr über eine weiße Straßenkarte ausgebreitet. Ähnlich wie bei einem Wimmelbild suchen sie im Spiel MicroMacro: Crime City Hinweise, um Kiminalfälle zu lösen. Das kann schon einmal ein paar Stunden dauern. „Fad wird es nicht, nur der Rücken tut irgendwann echt weh“, sagt Sabine. Kein Wunder, wenn man sich so tief über den Tisch bücken muss, um die winzigen Details zu erkennen.
Nichts für Nachteulen
Gegen halb 12 beginnt aber kaum noch jemand ein neues Spiel. Echte Nachteulen kamen in diesem Jahr nämlich nicht wirklich zum Zug. Alle drei Standorte schlossen ihre Türen heuer statt um 2 Uhr bereits um Mitternacht. Grund dafür sind die personellen Ausfälle aufgrund von Corona, sagt eine Mitarbeiterin.
Zu Ende geht die „Lange Nacht der Spiele“ also genauso, wie sie begonnen hat. Ganz leise.
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