Koran-Verteiler wollen keine Salafisten sein

Der Wiener Halid B. (re.) und ein Bekannter verschenken jeden Freitag auf der Mariahilfer Straße den Koran
Eine Gruppe Muslime verschenkt auf öffentlichen Plätzen den Koran. Die FPÖ will das verbieten lassen. Verfassungsschutz sieht keinen Handlungsbedarf

Halid B. steht jeden Freitag auf der Mariahilfer Straße und verteilt den Koran. Damit hat der 27-jährige Wiener mit albanischen Wurzeln zweifelhafte Bekanntheit erlangt. Kritiker vermuten hinter der Aktion Salafisten, die unbedarfte Jugendliche für den Heiligen Krieg rekrutieren wollen. Die FPÖ fordert daher ein Verbot von Koran-Verteilungen. Ein solches dürfte allerdings schwer umzusetzen sein.

Auf dem Stand, den B. und ein Bekannter an der Ecke zur Neubaugasse aufgestellt haben, steht in Großbuchstaben "LIES!". Mit der Verteilung des Buchs "Der edle Qur’an. Die ungefähre Bedeutung in der deutschen Sprache" trete man entschieden gegen Radikalisierung auf, erklärt B. "Die Leute sollen nachlesen, was wirklich im Koran steht. Der IS, der Menschen köpft – das ist kein Islam."

Der Vorwurf, man wolle Jugendliche rekrutieren, sei an den Haaren herbeigezogen. "Wir machen das, damit sich die Leute eben nicht rekrutieren lassen."

Anzeige gegen FPÖ

Verantwortlich für die Koran-Verteilungen sei "eine kleine Gruppe muslimischer Privatpersonen". Ein Verein stehe nicht dahinter. Auch nicht die deutsche Lies-Stiftung des salafistischen Netzwerks "Die wahre Religion". Von dort kaufe man bloß die Bücher – "um einen Euro pro Stück". Er selbst sei aber kein Salafist, beteuert B. "Ich bin kein Extremist, ich bin ganz normaler Moslem", sagt der Lkw-Fahrer.

Allerdings werde er auf der Facebook-Seite von FPÖ-Chef HC Strache, wo ein Foto einer Koran-Verteilung veröffentlicht wurde, von Postern bedroht. Er erstattet deshalb Anzeige.

Bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft hat man mit den Koran-Verteilungen wenig Freude. "Wir hatten keine Möglichkeit, diese Übersetzung zu überprüfen und zu genehmigen", sagt Präsident Fuat Sanac.

Der Verfassungsschutz hat die Lies!-Gruppe zwar unter Beobachtung. Solange aber bloß religiöses Infomaterial verteilt werde, gebe es keinen Grund einzuschreiten, heißt es aus dem Innenministerium. Rekrutierungsversuche habe es bis dato keine gegeben.

Für Aufregung in der muslimischen Gemeinde sorgt ein Drohbrief an die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ). Tarafa Baghajati, Obmann der Initiative Muslimischer ÖsterreicherInnen (IMÖ), veröffentlichte das Schreiben am Freitag auf Facebook. Darin heißt es, die "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa4Austria) würden kommen und dann könnten sich Islam-Gläubige "warm anziehen". Unter PS. gedenkt der Verfasser der "Helden von Sparta, die gegen eine große Araber-(Muslime)-Überzahl gekämpft haben". Unterzeichnet ist der Brief mit "Viele österreichische Patrioten und Patriotinnen".

Seitens der IGGiÖ bleibt man gelassen. Präsident Fuat Sanac misst dem Schreiben kaum Bedeutung bei und verzichtet auf rechtliche Schritte. Durch eine Reaktion gebe man den Verfassern bloß eine Plattform, meint er. Zudem erhalte die IGGiÖ laufend Drohbriefe. "Wenn wir da jedem nachgehen würden, kämen wir nicht mehr zum Arbeiten."

Anders sieht das Baghajati. Er nimmt das Schreiben ernst und wird es an den Verfassungsschutz weiterleiten. Er habe den Drohbrief bewusst öffentlich gemacht, "um ein Solidaritätsgefühl und die Zivilcourage zu fördern". Gerade in der derzeitigen Situation könne man eine Aktion wie diese nicht ignorieren. "Eine gesellschaftliche Sensibilisierung ist dringend notwendig", sagt Baghajati.

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