Königsdrama in der Wiener Ärztekammer
Vielleicht liegt es an der Akademiker-Quote von 100 Prozent, dass in der Ärztekammer Konflikte gerne im Stile von griechischen Tragödien oder Shakespeare-Dramen enden. So ist es auch im seit Monaten tobenden Streit rund um die finanziellen Ungereimtheiten in der Handelsfirma Equip4Ordi, die zur Kurie der niedergelassenen Ärzte der Wiener Kammer gehört.
Es geht, wie berichtet, um fragwürdige Prämienzahlungen und Kreditgeschäfte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen drei Personen, zwei davon sind mittlerweile entlassene Kammer-Mitarbeiter. Noch vor wenigen Wochen sah es so aus, als könnte Kammerpräsident Johannes Steinhart über die heikle Affäre stürzen. Schließlich fielen die umstrittenen Geschäfte der Firma in seine Zeit als Kurienobmann.
Unmut unter den Funktionären der Ärztekammer
Mehr noch: Der neue Kurienchef Erik Randall Huber, (pikanterweise ein Parteikollege Steinharts bei der „Vereinigung“), der die Affäre ans Tageslicht brachte, warf seinem Vorgänger öffentlich vor, bei der Aufarbeitung der Causa nicht zu kooperieren. Groß war der Unmut unter vielen Kammer-Funktionären. Es schien, als könnte Steinhart, der viele Jahre hart dafür gekämpft hatte, endlich Präsident zu werden, nach nur wenigen Monaten im Amt wieder abgewählt werden.
Steinhart verteidigte sich aber erfolgreich. Nun geht sein Lager zum Gegenangriff über: Bei der Kuriensitzung am Dienstag sah sich plötzlich Huber selbst mit einem Misstrauensantrag konfrontiert. Ihm soll „aufgrund zahlreicher Vorkommnisse und Fehlentscheidungen in der Kurienführung“, das Vertrauen entzogen werden, heißt es im Antrag, der dem KURIER vorliegt.
Misstrauensantrag gegen Huber
Im Detail wird Huber vorgeworfen, die Causa Equip4Ordi aufgebauscht zu haben, nur um Steinhart zu stürzen. In einem im Vorfeld der Sitzung kursierenden Papier – eine Generalabrechnung in 15 Punkten – werden ihm aber auch zahlreiche andere Vergehen angelastet: Huber würde sich zu wenig um die Kurie kümmern, die Kassenverhandlungen schlecht führen und einen „beleidigenden Stil“ anderen Mandataren gegenüber pflegen.
Auch Hubers Stellvertreter Mo Pachala sollte in einem Aufwasch abgesetzt werden. Angelastet wird ihm „Untätigkeit in der Kurienführung“, wie es im Antrag wenig subtil heißt (siehe Faksimile).
Drahtzieher hinter den Anträgen ist ausgerechnet Hubers Parteifreund Erwin Rasinger. Der Ex-ÖVP-Gesundheitssprecher ist Generalsekretär der Vereinigung und Steinhart-Vertrauter. Ihm zur Seite steht – was kaum weniger kurios ist – die Oppositionsfraktion des ehemaligen Präsidenten und ewigen Steinhart-Rivalen Thomas Szekeres.
Es waren nicht mehr viele, die am Dienstagabend damit rechneten, dass Huber die Sitzung der Kurie noch als Obmann verlassen werde. War es doch Rasinger und seinen Mitstreitern im Vorfeld dem Anschein nach gelungen, die für die Absetzung nötige Zweidrittelmehrheit unter den Mandataren herzustellen.
Eine kurze Galgenfrist für Huber
Doch Huber konnte noch einmal seinen Kopf aus der Schlinge ziehen: Kurz vor 21 Uhr unterbrach er die Sitzung und verließ die verblüfft zurückbleibenden Mandatare für drei Stunden. Als es gegen Mitternacht weiterging, setzte er die heiklen Anträge von der Tagesordnung ab. Die Sitzung endete schließlich kurz vor 3 Uhr wegen Beschlussunfähigkeit: Zu viele Mandatare waren bereits nach Hause gegangen, schildert ein Teilnehmer dem KURIER.
Huber hat sich aber wohl nur eine kurze Galgenfrist erkauft. Innerhalb von vier Wochen muss er eine erneute Sitzung einberufen, in der die Abstimmung über sein politisches Schicksal nachgeholt wird. Angesichts der ausweglosen Lage rechnen manche damit, dass er davor freiwillig seien Posten räumt. Gegenüber dem KURIER bestreitet er das vehement: „Ich kämpfe bis zum letzten Blutstropfen, weil ich überzeugt davon bin, auf der richtigen Seite zu stehen.“ Nächster Akt spätestens in wenigen Wochen.
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