Klagen gegen Glücksspiel-Verbot

Klagen gegen Glücksspiel-Verbot
Rot-Grün will das kleine Glücksspiel 2015 verbannen. Die Automatenbetreiber wehren sich.

Es glich einem kleinen politischen Erdbeben: Beim SPÖ-Landesparteitag 2011 stellten junge Parteirebellen der Sektion 8 einen Antrag auf Verbot des kleinen Glücksspiels in Wien – und erhielten dafür überraschend eine Mehrheit.

Die Begeisterung bei Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) war enden wollend, nimmt doch die Stadt pro Jahr durch die Automatenabgabe 55 Millionen Euro ein. Dennoch: Mit Jahreswechsel sollen die blinkenden Automaten aus den Wirtshaus-Hinterzimmern verschwinden, genauso wie die winzigen Zocker-Kabinen, die in machen Stadtteilen das Bild ganzer Straßenzüge prägen.

Ein eigenes Landesgesetz ist für das Verbot nicht notwendig. Die Stadt verzichtet auf die Verlängerung der bestehenden Regelung, wodurch der Betrieb der rund 1500 Automaten ab Jahresbeginn illegal wäre.

Klagen gegen Glücksspiel-Verbot
Helmut Kafka, Automatenverband

"Damit sollte die Sache gegessen sein", glaubt der grüne Klubobmann David Ellensohn, einer der vehementesten Gegner des kleinen Glücksspiels. Möglicherweise eine etwas vorschnelle Prognose. Denn der große rot-grünen Wurf könnte der Stadt noch teuer zu stehen kommen. Seitens der Betreiber werden bereits Klagen gegen vorbereitet, weiß Helmut Kafka vom Automatenverband. "Es geht dabei um die hunderten Wiener Landes-Glücksspielkonzessionen, die über den Jahreswechsel hinaus laufen." Viele davon sind bis 2019 oder 2020 gültig, manche sogar unbefristet.

Laut Kafka verstoße das Automatenverbot ab 2015 unter anderem gegen das Europäische Grundrecht auf Nichtdiskriminierung und auf Eigentum. Schützenhilfe bekommt er von der Wirtschaftskammer, die solche Verfahren unterstützen wird. Dort spricht man von einer "entschädigungslosen Enteignung".

Schadenersatz

Die Gruppe jener, die jetzt aufbegehren, reicht vom Glücksspielkonzern Novomatic (siehe unten) bis hin zu kleinen Automatenaufstellern wie Anton Fleischhacker. Der Wiener, 78, ist seit 20 Jahren im Geschäft, betreibt rund 30 Automaten an sechs Standorten und will die Gerichte anrufen. "Ich habe Konzessionen bis 2018 und 2019. Ich bestehe darauf, dass ich die ausüben darf."

Fleischhacker, aber auch andere, wollen nun vom Wiener Magistrat einen Feststellungsbescheid erwirken. Darin muss sich die Stadt klar deklarieren, was sie nun vor hat. Damit erhalten die Automatenaufsteller die Handhabe, auf Schadenersatz zu klagen. Fleischhacker geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um seine Mitarbeiter: "Die müssen wissen, wie es weitergeht."

Im Büro der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) will man die drohende Klagsflut nicht kommentieren und verweist auf das Finanzministerium, das nach Auslaufen der Wiener Landesregelung für die Automaten zuständig ist. Dem Ministerium fällt über die Finanzpolizei ab Jänner die Aufgabe zu, illegal betriebene Geräte zu beschlagnahmen.

Anrainer gegen Lokale

Mit Spannung wartet man im Grätzel rund um die Reinprechtsdorfer Straße (5. Bezirk) auf den Jahreswechsel. Nirgendwo sonst in Wien gibt es eine so hohe Dichte an Glücksspiel-Lokalen. Seit Jahren kämpfen engagierte Anrainer gegen die Verelendung ihrer Nachbarschaft durch die Automaten-Lokale und das soziale Leid, das die Spielsucht verursacht.

Klagen gegen Glücksspiel-Verbot
Wettlokale, Reinprechtsdorfer Straße, Franz Leidl

Ihnen gegenüber stehen die Lokalbetreiber, die in eine ungewisse Zukunft blicken: "Ich werde mich wohl arbeitslos melden", sagt Franz Leidl, der eines der Automatenlokale betreut. Klagen will er nicht: "Wieso sollte ich mich aufregen? Das ändert doch auch nichts mehr." Dass dieses Verbot etwas am Spielverhalten ändert, bezweifelt Leidl. "Leute, die spielen wollen, finden einen Weg. Und wenn der ins Glücksspiel-Lokal nach Sopron führt."

In der Luft hängt ab Jahresende vielleicht auch der Glücksspielriese Novomatic: Der Konzern mit Sitz in Gumpoldskirchen betreibt im Wiener Prater eine Glücksspielhalle mit mehreren Hundert Automaten, mehr als hundert Geräte im Böhmischen Prater und einige an weiteren, kleinen Standorten. KURIER-Recherchen zufolge hat auch die Novomatic Konzessionen in Händen, die weit über 1. Jänner 2015 hinauslaufen.

Wäre alles nach Plan gelaufen, dann hätte die Novomatic den Standort im Wiener Prater mit einer neuen Bundeslizenz weiterführen können. Wie berichtet, erhielt der Glücksspielriese alle drei heiß umkämpften Bundeskonzessionen. Eine davon würde es dem Unternehmen erlauben, im Prater seine Halle mit einer Bundeslizenz als Casino weiterzuführen.

Der Konkurrent Casinos Austria legte allerdings Beschwerde ein, die aufschiebende Wirkung hat. Somit muss der Glücksspielkonzern die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abwarten. „Kassiert“ das Gericht die Bescheide ein, womit Beobachter rechnen, dann ist erneut das Finanzministerium am Zug. Im Summe ist eine Frist von sechs Monaten vorgesehen. Reizen die Behörden die Frist aus, könnte auch die Novomatic am 1. Jänner 2015 ohne Lizenz dastehen. Eine KURIER-Anfrage an den Konzern blieb unbeantwortet.

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