Kanten statt Kuscheln: Blümel verordnet ÖVP neue Strategie
Zuletzt wurde Gernot Blümel gar aktionistisch. In aller Früh verteilte der Wiener ÖVP-Obmann noch unter dem Eindruck der Übergriffe durch Asylwerber in Köln Taschenalarme an verdutzte Bürgerinnen. Flankiert von einer Aussendung, die auch von der FPÖ stammen könnte. "Die Zahl der sexuellen Übergriffe ist in den letzten Jahren in Wien massiv gestiegen", steht dort. Dazu fordert Blümel einen Sicherheitsgipfel und einen eigenen Sicherheitsstadtrat. Wird die Wiener ÖVP zu einer Law-and-Order-Partei?
Fakt ist: Seit Blümel am 22. Oktober die Wiener ÖVP übernommen hat, macht die Landespartei den größten Wandel ihrer Geschichte durch. Wer ihn nicht schafft, muss gehen. Für Landesgeschäftsführer Alfred Hoch war nach dem Wahldebakel kein Platz mehr, sein Nachfolger Markus Wölbitsch kommt ebenso wie Blümel aus der Jungen ÖVP.
Bewährungsprobe
Wölbitsch, bislang als Unternehmensberater tätig, arbeitet derzeit intensiv am neuen Parteiprogramm. Es wird am 1. April am Landesparteitag präsentiert – die erste Bewährungsprobe für Blümel. Denn die Vorgaben für die Parteimitglieder sind hart. Die Bezirke werden beschnitten, Gremien abgeschafft. "Sesselkleber" sollen durch eine neue Mandatsvergabe aufgrund von Vorzugsstimmen und Bürgerkontakten verhindert werden.
"Man hat endlich erkannt, dass man eine kleine Oppositionspartei geworden ist", sagt Politologe Peter Filzmaier.
Das zeigt auch die Themensetzung der ÖVP. Ob Flüchtlinge, Bildung, Sicherheit oder Stadtfinanzen – Blümel meldet sich zu jedem Aufreger mit einer Aussendung zu Wort. Und nur er, sein Landesgeschäftsführer und die Gemeinderäte arbeiten dezent im Hintergrund. "Gerade in der Opposition ist Zuspitzung gefragt, auch personell", sagt Blümel. Als Law and Order sieht er seine Politik aber nicht. "Ich bin für so viel Freiheit wie möglich, und so viel Ordnung wie nötig." Diesen Satz wiederholt der VP-Chef mantra-artig bei jeder Gelegenheit.
Bernhard Görg, Wiener ÖVP-Obmann von 1992 bis 2002, lobt den jüngsten VP-Obmann. "Er hat sich in kürzester Zeit als Chef einzementiert", sagt Görg. "Auch weil er Rückendeckung aus der Bundespolitik genießt."
Unter Blümels Vorgänger Manfred Juraczka wurde noch ein deutlich moderaterer Kurs gefahren, auch um sich als Koalitionspartner für die SPÖ schmackhaft zu machen. "Der Kuschelkurs hat nichts gebracht", sagt Ex-VP-Gemeinderätin Isabella Leeb heute. Jetzt sei die ÖVP dank "kantiger Oppositionspolitik" am richtigen Weg.
"Das wurde wohl aus der Not geboren, denn mit Wirtschaftsthemen kommen sie derzeit nicht durch", sagt dagegen Filzmaier: "Ob es allerdings hilft, in der Rhetorik sich an der FPÖ anzupassen, da bin ich skeptisch." Denn Wähler, die von der ÖVP zur FPÖ gewechselt sind, zurück zu holen, werde schwierig. "Das Ziel der ÖVP muss daher sein, vor allem Nichtwähler wieder zurück ins Boot zu bekommen", sagt Filzmaier. Dazu komme der klare Auftrag der Bundespartei, dass man in Wien nicht noch mehr verlieren dürfe.
Präsidentenwahl
Denn schon am 24. April, bei der Bundespräsidentenwahl, wird sich Blümel das erste Mal öffentlich messen lassen müssen. VP-Spitzenkandidat Andreas Khol braucht Wiener Stimmen, um es in die Stichwahl zu schaffen. "Mit neun Prozent wie zuletzt in Wien wird das kaum möglich sein", sagt Filzmaier. Daher wird die Wiener ÖVP weiter auf Bundesthemen setzen, um die SPÖ anzugreifen. "Ich habe in meiner Zeit als Bundesgeschäftsführer ein Netzwerk aufgebaut, das ich jetzt nutze, um gegen eine übermächtige Stadtregierung zu bestehen", sagt Blümel.
Das zeigte sich zuletzt auch bei den Wiener Kindergärten. Da fror nach dem Förderskandal Familienministerin Sophie Karmasin kurzerhand die Mittel für Wien ein. Eine halbe Stunde später kam die Aussendung von Blümel.
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