Juristisches Gezerre um die Causa Wien Energie
„Der Begriff Gutachten dürfte das Wiener Wort des Jahres werden“, ätzt ein hochrangiger Oppositionspolitiker. Er meint damit das rechtliche Gezerre um die Einsetzung der U-Kommission zur Causa Wien Energie, das sich nun schon über Wochen zieht.
Die Installierung des Gremiums wurde von ÖVP und FPÖ beantragt, um die politische Verantwortung rund um die massiven Liquiditätsprobleme des städtischen Unternehmens zu klären, die im Sommer publik wurden.
Was genau in der U-Kommission untersucht werden darf, entscheidet letztlich aber Gemeinderatsvorsitzender Thomas Reindl (SPÖ). Er hat beim Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk eine externe Fachmeinung zu den heiklen Punkten des Antrags eingeholt. Wie so oft sorgt aber auch in diesem Fall das Gutachten weniger für Klarheit, sondern erst recht für Streit.
Komplexe Feinheiten
Das Papier führt in die schwindelerregenden Feinheiten der Wiener Verfassung. Ein Beispiel: Funk stellt fest, dass der Darlehensvertrag zwischen Land Wien und Bund, mit dem Ende August eine Kreditlinie über zwei Millionen Euro für die Wien Energie bereitgestellt wurde, nicht von der U-Kommission untersucht werden könne. Die Begründung: Den Vertrag habe das Land Wien abgeschlossen, eine U-Kommission des Gemeinderats könne aber nur Dinge untersuchen, die die Gemeinde Wien betreffen. Das Thema müsste daher in einem U-Ausschuss des Landtages behandelt werden.
Die Opposition will das nicht gelten lassen. Sie verweist in einer gemeinsamen Stellungnahme an Reindl, die dem KURIER vorliegt, auf einen Juristen-Kommentar zur Wiener Verfassung. Demnach könnten einzelne Aspekte der Prüfung durch eine U-Kommission auch aus dem Landesvollziehungsbereich stammen.
Bei einem zweiten Streitpunkt geht es um den Vorwurf, Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) hätten Finanzausschuss, Gemeinderat und Stadtsenat nicht ausreichend über die Geschäftsgebarung der Wien Energie informiert. Die Frage ist auch hier, ob dies Untersuchungsgegenstand sein kann.
Es bestehe „keine generelle Informationspflicht als Bringschuld“ des Bürgermeisters und des Stadtrats, lautet die Antwort des renommierten Juristen.
Nun wehrt sich die Opposition dagegen, dass dieses Themenfeld möglicherweise von der Agenda der U-Kommission gestrichen wird: „Ob und wie weit der Bürgermeister und der Finanzstadtrat verpflichtet waren, andere Organe zu informieren“, betreffe „nicht die Zulässigkeit des Antrags, sondern ist vielmehr erst im Rahmen der Untersuchung selbst zu klären“, argumentiert man in der Stellungnahme, die am Montag eingebracht wurde.
Noch ein Gutachten
Um die Verwirrung komplett zu machen: Das offizielle Gutachten, das in solchen Streitfällen verpflichtend ist, steht noch aus. Mit ihm werden nun jene drei Richter beauftragt, die erst kürzlich für den Vorsitz der U-Kommission bestimmt wurden. Theoretisch muss sich Reindl nicht an ihre Sichtweise halten, was aber als unwahrscheinlich gilt.
Somit sollte dem von der Opposition angepeilten Start der U-Kommission Anfang Dezember nichts im Wege stehen. Glauben Optimisten.
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