Junges Paar: "Man fühlt sich wie beim Casting"

Junges Paar: "Man fühlt sich wie beim Casting"
Wohnungssuche in Wien als permanenter Wettkampf: Vermieter prüfen die Interessenten genau, Anbote müssen von diesen oft blitzschnell gestellt werden.

Bald nach ihrer Hochzeit war es soweit: Bei Marlene (27) und Franz (26) kündigte sich Nachwuchs an. Damit war auch klar, dass sie umziehen mussten – denn zu dritt würde es in ihrer kleinen Pärchenwohnung im 20. Wiener Gemeindebezirk zu eng werden. Und die Zeit drängte: "Ich wollte nicht hochschwanger umziehen", sagt Marlene.

Gut angebunden sollte die neue Bleibe sein, drei Zimmer auf mindestens 70 Quadratmetern haben und maximal 900 Euro kosten. Vergangenen Herbst ging die Suche los – und damit auch ein permanenter Wettkampf. "Es war mühsam, überhaupt einen Besichtigungstermin zu bekommen", erzählt Franz. Um eine bessere Chance zu haben, formulierte er sogar einen Text vor, um in der Sekunde auf ein neues Online-Angebot reagieren zu können. Bei der Besichtigung wurde der Druck kaum kleiner: "In jeder Wohnung sind 15 Paare und jedes betont, wie viel mehr als die anderen es verdient", sagt Marlene. Gefällt das angebotene Objekt, heiße es wieder schnell sein. "Du kannst nicht überlegen, sondern musst gleich ein Anbot stellen. Und nimmst du doch eine andere Wohnung, ist trotzdem die Provision für den Makler fällig."

Mieter-Schau

Drei Mal musste das Paar potenziellen Vermietern zusätzlich zum Gehaltsnachweis eine Bestätigung des aktuellen Quartiergebers darüber vorlegen, dass die beiden kein Verfahren zur Rückforderung von überhöhter Miete angestrengt hatten. "Man fühlt sich wie bei einem Casting", resümiert Marlene.

Im Dezember bekam das Paar schließlich die lang ersehnte Zusage für eine 65-Quadratmeter-Wohnung unweit des Naschmarkts. Zwar waren mit dieser Wohnung kleinere Abstriche hinsichtlich Größe, Lage und der Ausstattung verbunden – dennoch seien sie hier nun glücklich, erzählen die beiden. Als nächstes Projekt steht das Einrichten des Kinderzimmers an.

Ihr Familiennest können sich die Verlagsmitarbeiterin und der Freizeitpädagoge derzeit gut leisten – mit dem Karenzgeld werde es aber bald schwieriger. "Wir sind beide berufstätig, zu zweit geht das", sagt Marlene. "Aber wie sollen Alleinerzieher oder Familien mit vielen Kindern etwas Leistbares finden?" Mit mehr als zwei Sprösslingen wäre das Wohnen in Wien auch für sie und ihren Mann eine finanzielle Herausforderung, glaubt sie. Die Alternative sei, auf’s Land zu ziehen.

In der Studienzeit sei das Wohnen noch erschwinglicher gewesen, erinnert sich das Paar. "WG-Zimmer waren ab 300 Euro zu haben." Nun, beobachten die beiden, müssten Studenten 400-500 Euro hinblättern. Zwar gebe es gesetzliche Mietzins-Grenzen, sagt Franz, dennoch würden sehr viele Wohnungen weit darüber angeboten. "Das ist arg. Niemand traut sich, das zu beeinspruchen. Eine funktionierende Regulierung wäre nötig."

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