Attacke auf Israel-Fahne: 17-jährige Tatverdächtige ausgeforscht

Bewachung durch das Bundesheer vor dem Wiener Stadttempel in der Seitenstettengasse im 1. Bezirk am Sonntag
Video zeigt, wie eine Gruppe eine israelische Fahne vom Wiener Stadttempel reißt: 17-jährige Österreicherin gefasst.

Auf den Wiener Stadttempel in der Seitenstettengasse im 1. Bezirk wurde in der Nacht von Freitag auf Samstag ein antisemitischer Angriff verübt.

Ein auf Twitter gepostetes Video zeigt, wie zwei junge Männer die über der Türe des jüdischen Tempels angebrachte Israel-Fahne mitsamt der Fahnenstange herunterreißen.

Eine ebenfalls im Video zu sehende junge Frau imitiert während der Aktion Schüsse aus einem Maschinengewehr in Richtung des Tempels.

Bereits vor der Attacke sollen die Verdächtigen im Bermudadreieck mit antisemitischen Äußerungen aufgefallen sein.

Eine Beteiligte ausgeforscht

Der Angriff hat sich gegen 2 Uhr nachts ereignet, die unbekannten Täter waren vorerst flüchtig.

Am Sonntag gab es nun eine erste heiße Spur zu der Frau aus dem Video: "Wir ermitteln zwar noch gegen Unbekannt, aber wir haben eine erste heiße Spur, wer die Frau sein könnte", sagte Wiens Polizeisprecherin Barbara Gasse dem KURIER.

Am Sonntag Nachmittag dann die Meldung: Eine Tatverdächtige wurde ausgeforscht. Durch Beamte der Bereitschaftseinheit Wien und den Ermittlungen des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) ist es gelungen eine Tatverdächtige auszuforschen. Sie ist 17 Jahre alt und österreichische Staatsbürgerin.

Laug Polizei sei sie vom LVT Wien zu den Tatvorwürfen vernommen worden. Sie habe sich zur Sachbeschädigung geständig gezeigt, bestreitet jedoch die Vorwürfe der Verhetzung.

Weiters gab sie an, dass sie zum Tatzeitpunkt stark alkoholisiert gewesen sei, die anderen Personen erst kurz vor der Tat kennengelernt habe und sie von diesen zu dieser Handlung motiviert worden sei.
Die 17-Jährige wurde auf freiem Fuß angezeigt. Die Ermittlungen zu den anderen Tatverdächtigen laufen.

Wie nun E-Mails zeigen, wurde ein höherer Schutz für Synagogen und Gebetshäuser seitens der der Polizei bereits letzte Woche abgelehnt.

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Passanten wollten Täter festhalten

Nach allen Personen aus dem Video wird nach wie vor gesucht. Die Polizei hat die Videos rund um den Tatort sichergestellt. Die Auswertung läuft auf Hochtouren. Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen werden vom Landesamt Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien geführt. Es wird wegen des Verdachts der Verhetzung, Sachbeschädigung und Körperverletzung ermittelt.

Passanten hatten noch versucht, die jungen Männer und die Frau festzuhalten, nach einem Handgemenge seien diese jedoch entkommen. "Ja, wir können dies bestätigen. Einer der Passanten dürfte dabei auch einen Faustschlag ins Gesicht erlitten haben", erklärte Gass.

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Es stellt sich die Frage, warum eine der prominentesten Einrichtungen des jüdischen Lebens in Wien trotz der angespannten Lage in Nahost und der dadurch ausgelösten Anti-Israel-Proteste - auch in Wien - nicht beschützt wird.

Laut Landespolizei wurde der Stadttempel bis zum Vorfall nur zu den Öffnungs- bzw. Gebetszeiten bewacht, wie am Sonntag bestätigt wurde.

24/7-Überwachung nach Vorfall

Dies hat sich durch die Attacke nun verändert: "Seit Samstag gibt es eine 24/7-Überwachung", erklärt Gass. Diese erfolgt aktuell durch die Polizei, soll aber später von Soldaten des Bundesheeres übernommen werden.

Am Sonntag meldete sich auch Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde zu Wort: "Unser Dank gilt den Securities eines Lokals in der Seitenstettengasse, die die Täter vertrieben und die Israel-Fahne gesichert haben. Die Fahne wird sehr bald wieder wehen", schreibt Deutsch.

Er fordert außerdem harte Strafen für die mutmaßlichen Täter. Zwar seien kein Leben gefährdet worden, aber die Tat trage zur Verunsicherung bei und stachele Nachahmer auf.

Der Wiener Stadttempel in der Seitenstettengasse im 1. Bezirk am Sonntag - ohne Israel-Flagge

Der Wiener Stadttempel in der Seitenstettengasse im 1. Bezirk am Sonntag - ohne Israel-Flagge

Der von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) verkündete sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsatz des Bundesheeres hatte sich zuvor offenbar nicht auf den Stadttempel erstreckt. Bereits seit Freitag unterstützen Soldatinnen und Soldaten die Polizei bei der Bewachung jüdischer Einrichtungen, gab Tanner bekannt - und zwar angeblich rund um die Uhr.

Lokalaugenschein zeigt: Bundesheer steht jetzt rund um die Uhr

Die Seitenstettengasse ist am Sonntag Vormittag beim Lokalaugenschein ausgestorben, nicht einmal übrig gebliebene Nachtschwärmer ziehen vorbei. Bei der Synagoge fehlt die Israel-Fahne. Zwei, drei Touristen schauen sich den Stadttempel an, machen ein Foto, gehen weiter. Den Übergriff findet das Paar "very bad", sehr schrecklich, ein Foto vor der Synagoge für die Zeitung? "No, please not". Lieber nicht.

Das Bundesheer steht nach dem Übergriff am Freitag nun jedenfalls auch außerhalb der Gebetszeiten und bewacht die Synagoge jetzt, obwohl keine Gebetszeiten sind. Zwei bewaffnete Soldaten patrouillieren, zwei sind gerade im Fahrzeug auf Pause.

Der Soldat aus der Kaserne in Güssing stand schon öfters in der Seitenstettengasse - allerdings bislang nur, während der Gebetszeiten. Er sagt, die Reaktionen der angrenzenden Lokalbesitzer auf das Bundesheer seien durchwegs positiv gewesen. Auch die Polizei kommt jetzt regelmäßig vorbei.

Israel-Fahne weht wieder

Am Sonntag Nachmittag wurde die Fahne wieder gehisst. Als Zeichen, dass man sich nicht unterkriegen lassen wolle, sogar in doppelter Ausführung, wie Oskar Deutsch, Präsident der israelitischen Kultusgemeinde, sagt: "Die Israel-Fahne weht wieder am IKG-Gebäude in der Seitenstettengasse - in Solidarität mit Israel und im Gedenken an die Ermordeten und Verschleppten. Es wurde nun auch eine zweite Fahne angebracht. Wir lassen uns nicht unterkriegen."

Tempel war mehrfach Terror-Schauplatz

Der Stadttempel war in der Vergangenheit schon mehrfach Schauplatz von terroristischen Anschlägen. 1979 explodierte im Hof der Synagoge ein halbes Kilo Plastiksprengstoff, verletzt wurde zum Glück niemand. Die Verantwortung für die Tat übernahm eine palästinensische Gruppe.

1981 verübten zwei Terroristen einer anderen palästinensischen Gruppe mit Handgranaten und Schusswaffen ein Attentat mit zwei Toten und 21 Verletzten.

Und auch der Terroranschlag von 2020 mit fünf Toten (inklusive des Attentäters) und 22 Verletzten nahm seinen Ausgang in der Seitenstettengasse bzw. im Ausgehviertel Bermudadreieck, in dessen Zentrum sich die Synagoge befindet.

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