Islamische Kindergärten: Ein Netzwerk mit Strohmännern

Islamische Kindergärten: Ein Netzwerk mit Strohmännern
Polit-Skandal: So soll der Hauptverdächtige Abdullah P. der Stadt Wien Millionen herausgelockt haben.

Es war der Polit-Skandal im vergangenen Dezember. In Wien stehen mehrere islamische Kindergärten im Mittelpunkt von Ermittlungen. Es geht um Förderbetrug im großen Stil. Bisher konnte das komplexe Netzwerk, das der 31-jährige Abdullah P. aufgebaut haben soll, von den Ermittlern nur grob umrissen werden – die Akten füllen bereits zwei dicke Ordner.

Wesentlich bei der Aufarbeitung sind die Aussagen der Strohmänner – also jener, die mit P. Beratungsverträge für die Gründung von Kinderbetreuungsgruppen abgeschlossen haben. Auf diese Art sollen der Hauptverdächtige und seine mutmaßlichen Komplizen von einem Verein für Erwachsenenbildung zu Millionen an Fördergeldern und Anstoßfinanzierungen der Stadt Wien gekommen sein.

So manche Strohmänner könnten auch Opfer sein. So sollen beispielsweise Herr und Frau Ö. im Jahr 2014 mit Unterstützung von P. einen eigenen Verein für Kinderbetreuung gegründet haben. Für ein Beratungshonorar soll P. ihnen angeboten haben, dass sein Verein auch sämtliche Behördengänge abwickeln könne – eine willkommene Hilfe für das türkischstämmige Ehepaar.

Islamische Kindergärten: Ein Netzwerk mit Strohmännern
Abdullah Polat, Obmann und Gründer von Erbiz (Erwachsenen Bildungs- und Integrationszentrum), Abdullah Polat Kindergarten Fördergeldmissbrauch Wien

Für ihren neuen Verein wurden eine Website und eine eMail-Adresse angelegt. Bei Herrn Ö. schrillten die Alarmglocken, als er im Postausgang Dokumente entdeckte, die in seinem Namen und mit seiner Unterschrift an Behörden geschickt wurden. Im Büro des Beratungsvereins soll man ihm dazu erklärt haben, dass man seine Unterschrift fälsche, um "Zeit zu sparen". Ö. war dagegen, es kam zum Zerwürfnis, seine Kindergarten-Gruppe konnte den Betrieb nie aufnehmen. Familie Ö. sagt jetzt, sie stehe vor dem finanziellen Ruin.

Strohmänner

Die Ermittler vermuten, dass die Obmänner der Betreuungsvereine auch in anderen Fällen nur "Strohmänner" waren. Im Hintergrund soll P. die Fäden gezogen haben. Ihm wird Betrug, Urkundenfälschung und die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.

Der Anwalt von Abdullah P., Bernd Oberhofer, kann auf KURIER-Anfrage zu den Vorwürfen noch keine Stellungnahme abgeben. Er habe den Akt der Staatsanwaltschaft erst am Freitag erhalten.

Die MA 10 war aus den politischen Reihen mit dem Vorwurf konfrontiert, dass die "Kontrolle versagt" habe. Dem widerspricht Abteilungsleiterin Daniela Cochlar vehement: "Wir haben in diesem Zusammenhang schon länger intensiv geprüft, konnten bis zum Frühling 2015 aber keine handfesten Beweise finden." Der Name P. sei in keinem Fördervertrag mit der MA 10 aufgeschienen. Zeugen zufolge soll er persönlich aber stets als "der Macher" aufgetreten sein und sogar von einem "Team P." gesprochen haben.

Eine erste Anzeige gegen P. wegen einer Verwaltungsübertretung im März 2015 verlief laut Cochlar im Sande, doch die zweite im Mai war ein Volltreffer. Mitarbeiter der MA 10 ließen Gemeinnützigkeitsbestätigungen vom Finanzamt überprüfen, die Private mit ihren Förderanträgen eingereicht hatten. Es stellte sich heraus: Mindestens zehn Bestätigungen waren gefälscht.

Abdullah P. kreidete die Fälschungen prompt einem Mitarbeiter des Vereins an. Beytullah N., der kurzfristig Obmann war, beschuldigte er der Veruntreuung von Fördergeldern. N. bestreitet das und zeigte P. seinerseits an.

Für die betroffenen Kindergarten-Betreiber hatten die Fälschungen drastische Folgen: Ihre Förderverträge wurden laut Cochlar sofort gekündigt, bei rund zehn weiteren Verdachtsfällen wurden die Zahlungen bis auf Weiteres eingefroren – so auch beim Ehepaar Ö. "Wir bedauern, dass hier möglicherweise auch Unschuldige zum Handkuss gekommen sind. Aber Fälschungen können wir nicht dulden", betont Cochlar.

Bei den Kontrollmechanismen sieht die MA-10-Leiterin kaum Nachbesserungsbedarf: "Wir haben schon immer streng kontrolliert und sofort gehandelt, wenn es Ungereimtheiten gab." Der Gesamtschaden für die Stadt Wien ließe sich kaum abschätzen – kolportiert wird eine siebenstellige Summe.
Zur Razzia am Vereinsstandort in Brigittenau im Dezember gibt die Staatsanwaltschaft weiterhin keine Stellungnahme ab.

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