Islam-Kindergärten: Neue Studie in Arbeit
Die vom Integrationsministerium und der Stadt Wien angekündigte "flächendeckende Untersuchung" islamischer Kinderbetreuungseinrichtungen in Wien wird von einem sechsköpfigen Forscherteam erstellt, wie in einer Aussendung mitgeteilt wurde. Die Arbeiten daran sollen bis Mai 2017 abgeschlossen sein. Auch der erste Islamkindergarten-Bericht, der zuletzt für Aufregung sorgte, liegt nun vor (hier kommen Sie zum Download).
An der - nach einem gröberen Zwist zwischen Rathaus und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) vereinbarten - gemeinsamen Untersuchung werden folgende Wissenschafter beteiligt sein: Neben Ednan Aslan von der Uni Wien, dem Autor der ersten Vorstudie, werden Susanne Heine (Universität Wien, Evangelisch-Theologischen Fakultät), Maria Fürstaller (Universität Wien und FH Campus Wien), Elisabeth Raab-Steiner (FH Campus Wien), Wolfgang Mazal (Universität Wien) und der Diplomsoziologe Kenan Güngör mit dabei sein.
Die Stadt Wien, so wurde versichert, stellt die dafür erforderlichen Daten bereit. Man werde den Zugang zu allen Kinderbetreuungseinrichtungen gewähren und auch Vereinsregisterauszüge vorlegen, wurde beteuert: "Eine wichtige Fragestellung wird sein, ob die pädagogischen Konzepte jener privaten institutionellen Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtungen (Kindergärten und Kindergruppen) in Wien, mit den Grundwerten der österreichischen Verfassung, Kinder- und Menschenrechte sowie dem Wiener Bildungsplan übereinstimmen."
Werte und Normen in der Praxis
Ebenso solle untersucht werden, welche Werte und Normen in der Praxis tatsächlich gelebt werden. Auch die verwendeten Sprachen, den religiösen Hintergrund oder die Annahme von Sprachförderangeboten will man sich genauer ansehen. Erforscht wird auch die Erwartungshaltung der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten. Weiters wird eine Liste mit allen islamischen Kindergärten oder -gruppen und deren Betreibern sowie Trägervereinen erstellt.
"In Wien ist kein Platz für Radikalismus und Extremismus. Wenn es Probleme gibt, müssen diese angegangen und gelöst werden. Die Stadt Wien schaut genau hin und hat bereits gehandelt", verwies Jugendstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) auf eine nun bereits erfolgte Aufstockung der Kontrolleure. Auch Bildungsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) beteuerte, dass Radikalisierung im Kindergarten keinen Platz haben dürfe. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) verwies auf die nunmehrige Einigkeit: "Wir ziehen hier in der flächendeckenden Untersuchung an einem Strang. Es ist notwendig, Klarheit und Transparenz zu haben, damit die richtigen politischen Maßnahmen gesetzt werden können."
Aslan-Bericht kritisiert mangelnde Offenheit
Bei dem nun vorliegenden Bericht des Islamforschers Ednan Aslan handelt es sich um eine "Evaluierung ausgewählter islamischer Kindergärten und -gruppen in Wien". Diese bietet keine lückenlose Analyse sämtlicher muslimischen Betreuungseinrichtungen, es werden jedoch zahlreiche Gespräche mit Eltern, Pädagogen und Betreibern darin dokumentiert.
Laut Integrationsministerium ist der Bericht Grundlage für die gemeinsame flächendeckende Untersuchung aller Islam-Kindergärten in Wien, die nun gestartet wird. Die Vorstudie umfasst 177 Seiten. Darin kommen Aslan und die beteiligten Mitautoren zum Schluss, dass "als unterscheidende Merkmale zu anderen Kindergärten die Bedeutung der religiösen Bildung/Erziehung und damit in Zusammenhang stehend der Wertevermittlung hervorgehoben wird".
Es habe jedoch wenig Offenheit vonseiten der islamischen Kindergärten gegeben, am Forschungsprojekt teilzunehmen, wird kritisiert. Die Forscher fragten bei 15 Trägervereinen um die Projektteilnahme an - von diesen sagten nur acht zu. Diese betreuen 1.940 Kinder in 19 Kindergärten- und -gruppen. Die Ideologie der Trägervereine und Betreiber wurde ebenfalls unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: "Es ist aufgrund des bisherigen Standes der Analyse davon auszugehen, dass salafistische bzw. islamistische Organisationen in der Kinderbetreuung nicht so einfach auf ihre politischen Ziele verzichten können", hieß es dazu in dem Bericht.
Eltern wünschen Religions-Bildung
Religionsunterricht wird in den meisten Einrichtungen angeboten. Dabei lernen die Kinder in unterschiedlicher Häufigkeit und Schwerpunktsetzung beispielsweise Suren auf Arabisch oder hören Geschichten des Propheten. Für die meisten Eltern ist das Angebot an religiöser Erziehung bzw. Bildung im Kindergarten von großer Bedeutung, hieß es. So werde beispielsweise das Auswendiglernen von Koranstellen von elterlicher Seite auch eingefordert. Ebenfalls wichtig sei, dass die Kinder über ihre Werte und Kultur informiert würden. Hin und wieder sollen sie auch vor den moralischen Einflüssen der Mehrheitsgesellschaft geschützt werden, befinden die Autoren.
In der religiösen Erziehung in den untersuchten Einrichtungen würden vor allem traditionelle Bilder zum Einsatz kommen - etwa strafende und belohnende Gottesbilder. Kinder würden mit einem "veralteten Sündenverständnis eingeschüchtert" und ihnen die Entwicklung zur Mündigkeit genommen werden, hieß es. Die eigene Religion werde mitunter vor anderen Religionen und Weltanschauungen aufgewertet. Nicht-muslimische Kinder würden von den religiösen Praxen nicht ausgeschlossen, sondern könnten freiwillig daran teilnehmen. Umgekehrt sind muslimische Kinder aber so gut wie nie bei religiösen Festen ihrer nicht-muslimischen Kindergartenfreunde dabei.
Was die Sprachförderung anbelangt, so erfolge diese je nach Schwerpunktsetzung unterschiedlich. Der Bogen spannt sich dabei von einem Kindergarten, in dem die Verwendung der Muttersprache untersagt ist und die Kleinen angehalten sind, Deutsch zu reden bis hin zu einer Einrichtung mit geringer deutscher Sprachförderung. Die breite Mehrheit der Gruppen sei aber ethnisch und national homogen zusammengesetzt - in so einem Umfeld ist es laut Studienbericht nahezu unmöglich, ein Gefühl für die deutsche Sprache zu entwickeln.
Essen ist ebenfalls ein besonderes Merkmal muslimischer Kindergärten und eine wichtige Grundlage für die Auswahl der Einrichtung. Werbefolder, die im Anhang ausgewiesen sind, weisen meist darauf hin, dass nur Halal-Produkte verwendet werden. Dies ist einer der Gründe, warum "die Mehrheit der muslimischen Familien" diesbezüglich kaum Vertrauen in die städtischen Kindergärten hat, wie betont wird.
Die Autoren der Vorstudie empfahlen u.a. die Erarbeitung eines Sprachförderungskonzepts, das sowohl die Muttersprache wertschätzt als auch eine Förderung der deutschen Sprache ermöglicht. In den Kindergärten sollen außerdem Pädagogen unterschiedlicher Religionszugehörigkeiten arbeiten. Dies wäre eine gute Möglichkeit für Kinder, unterschiedliche Religionen, Kulturen, Bräuche und Sitten kennenzulernen. Außerdem bedürfe die Ausbildung der Betreuer einer Verbesserung.
Weiters wurde darauf hingewiesen, dass die Konzepte der Einrichtungen auf pädagogischen Überlegungen fußen sollten und nicht auf den Wünschen der Eltern. Denn letztere würden das Geschehen im Kindergarten maßgeblich beeinflussen. Werde Religionsunterricht angeboten, sollte der Lehrplan offengelegt und gut qualifizierte Pädagogen eingesetzt werden. Vor der Vergabe von Lizenzen zum Betrieb von Kindergärten sollten die Trägervereine überprüft werden, "ob eine positive Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft vorliegt". Dabei solle es Unterstützung von externen Experten im Bereich der Islamismusforschung geben - denn eine Prüfung durch den Verfassungsschutz reiche hier "bei Weitem" nicht aus. Ziel müsse sein, Kindergärten und -gruppen von islamistischen bzw. salafistischen Trägervereinen zu entkoppeln. Für einen weiteren Erkenntnisgewinn riet Aslan abschließend zu weiterführenden Forschungsprojekten, um einen zusätzlichen Einblick in den Alltag des Kindergartens zu erhalten. Bei der Evaluierung solle auch das Fördersystem berücksichtigt werden - konkret um zu eruieren, wie ein solches zur Qualitätssteigerung der Einrichtungen beitragen könne. Darüber hinaus schlug der Studienverantwortliche auch vor, im Rahmen eines Folgeprojekts mehrere Kindergärten mit verschiedenen konfessionellen Zugehörigkeiten zu untersuchen.
FPÖ sieht "Nährboden" für radikale Tendenzen
Der Bericht des Islamforschers Ednan Aslan zur Situation muslimischer Kindergärten in Wien hat sämtliche Warnungen bestätigt - befindet jedenfalls die FPÖ. Deren Vizebürgermeister Johann Gudenus hat in einer Reaktion beklagt, dass damit der Nährboden für den radikalen Islam bereitet werde.
"Die Stadt Wien hat als oberstes Kontrollorgan komplett versagt und dadurch die Etablierung von Parallelgesellschaften deutlich begünstigt", zeigte er sich überzeugt. Den betroffenen Kinder würden keine europäischen Werte vermittelt. Auch die Eltern würden offenbar darauf Wert legen, ihre Kinder von westlich geprägten Kulturen "bestmöglich fernzuhalten" - etwa indem strikt auf die Zubereitung von Halal-Speisen bestanden werde.
Salafistische Organisationen hätten die Situation gekonnt für sich ausgenutzt. Und dass es laut Studie auch Betreiber gebe, die ein Naheverhältnis zur Muslimbruderschaft aufweisen sollen, zeigt laut Gudenus, wie die Verantwortlichen erfolgreich weggesehen haben - wobei er auch Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) in die Pflicht nahm.
Wiens ÖVP-Chef Gernot Blümel sieht hingegen die Schuld einzig bei den Rathaus-Verantwortlichen: "Viel zu lange hat die rot-grüne Stadtregierung zugesehen und die Entwicklungen in den islamischen Kindergärten ignoriert. Erst auf Betreiben von Bundesminister Sebastian Kurz ist es hier endlich zu einem ersten Umdenken gekommen. Späte Einsicht ist besser als gar keine Einsicht."
Die nunmehr vereinbarte gemeinsame Studie sei ein "wichtiger Schritt". Es sei nun von großer Wichtigkeit, dass untersucht werde, welche Werte und Normen in der Praxis tatsächlich gelebt würden, verlangte Blümel - der ebenfalls vor der Etablierung von "Parallelgesellschaften" warnte.
SPÖ-Gemeinderätin Nicole Berger-Krotsch zeigte sich in einer Aussendung verwundert, dass Kurz den Endbericht - nach der intensiven Debatte um den Zwischenbericht - nicht mehr kommentiere. Die Stadt habe auf die Vorwürfe jedenfalls schon reagiert, beteuerte sie.
Die rote Rathauspolitikerin verwies auf bereits umgesetzte Maßnahmen, wie die Aufstockung der Kontrolleure der zuständigen Magistratsabteilung 11, die Verbesserung der Ausbildung der Betreuer in Kindergruppen sowie die im Wiener Bildungsplan formulierten Maßnahmen. Die von Bund und Stadt in die Wege geleitet Studie wurde von Berger-Krotsch ausdrücklich begrüßt.
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