Interview mit dem Wiener ÖVP-Rebell

Interview mit dem Wiener ÖVP-Rebell
Der Desperado der Wiener VP, Wolfgang Aigner, spricht über die Fehler seiner Partei und die Motive für seinen Austritt.

Nach Christine Marek hat auch Wolfgang Aigner dem schwarzen Klub den Rücken gekehrt. Fortan tritt er als wilder Abgeordneter auf.

KURIER: Der designierte Klubobmann Fritz Aichinger will sie zurück ins schwarze Boot holen. Hat er Chancen?
Wolfgang Aigner:
Mein Austritt aus dem Klub war keine Kurzschlussreaktion. Ich habe mir das wohl überlegt.

Sind Sie nicht einfach enttäuscht, nicht selbst mit einem honorigen Posten bedacht worden zu sein?
Blödsinn. Mir war stets klar, dass ich kein Amt annehmen würde, das mit einem Berufsverbot einhergeht.

Was hat das Fass zum Überlaufen gebracht?
Die Tatsache, dass eine Partei, der Medien zu Recht bescheinigen, am Boden zu liegen, die Chance einer personellen und inhaltlichen Neuausrichtung nicht nutzt. Stattdessen erfahren Mandatare aus der Zeitung, wer freie Ämter bekleiden soll.

Immerhin startete die Partei vor Monaten einen Ideenfindungsprozess, um sich neu aufzustellen.
Das ist ein sündteurer Flipchart-Bekritzelungsprozess, der nur offenbart, dass Inhalte fehlen. Es kann nicht sein, dass wir Sympathisanten ständig fragen, was wir als Partei wollen sollen. Gleichzeitig verrotten seit Jahren Bezirksparteilokale. Es fehlen funktionierende Heizungen und WCs.

Sie haben bei der Vorstandssitzung gefehlt und hätten ihren Unmut dort deponieren können.
Sie wurde kurzfristig anberaumt und es hat sich schließlich ja auch gezeigt, was ich befürchtet habe: Die Details wurden schon vorab im kleinen Kreis ausgedealt.

Wie hätte man nach der historischen Wahlniederlage im Oktober reagieren sollen?
Mit personellen Konsequenzen und mit starker Oppositionspolitik. Stattdessen scheuen sich einige Mandatare davor, die SPÖ hart anzugehen.

Sollte sich die ÖVP neu gründen, wie Ursula Stenzel angeregt hat?
Wenn am Ende dieselben Gesichter mit neuem Mascherl auftreten, nicht. Es fehlt auch die für eine Neugründung nötige Energie. Die Partei erinnert ja an die Ruine von Tschernobyl - mit dem einzigen Unterschied, dass die Wiener VP nie so gestrahlt hat wie die Atomruine.

Werden andere Ihrem Beispiel folgen und dem Klub auch den Rücken kehren?
Das weiß ich nicht. Der Unmut ist bei vielen groß. Mir geht's aber nicht darum, der VP zu schaden. Bei einem Weg, der einem fundamental falsch erscheint, muss man aber ein Zeichen setzen.

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