Integration: Wien und sein trennendes Schulsystem

Integration: Wien und sein trennendes Schulsystem
Eine neue Studie der OECD zu Integrationspolitik stellt Wien ein gutes Zeugnis aus – aber nicht im Bildungsbereich.

Fast zwei Drittel aller Menschen mit Migrationshintergrund der OECD-Ländern lebten 2015 in Städten – für diese bedeutet das eine Riesen-Herausforderung. Wie die Städte diese Aufgabe bewältigen, damit befasste sich eine neue Studie der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Anm.), die Mittwochabend im Rahmen des Wiener Projekts CORE (Integration im Zentrum) in der Wirtschaftsuniversität präsentiert wurde.

72 Städte weltweit wurden untersucht – besonderer Fokus lag auf Athen, Altena, Amsterdam, Barcelona, Berlin, Glasgow, Göteborg, Paris und Wien. Der Bundeshauptstadt stellen die beiden Studienautorinnen ein recht gutes Zeugnis aus – mit einigen Abstrichen. Zentrale Ergebnisse: Die Integration in den Arbeitsmarkt ist nicht ausreichend, siehe folgende Grafik:

Integration: Wien und sein trennendes Schulsystem

Im Bildungsbereich mangelt es an mehrsprachigen Lehrerinnen und Lehrern und an finanziellen Mitteln, um Integration zu erleichtern. Zwar gibt es keine räumliche Segregation (Trennung) zwischen der österreichischen und der migrantischen Bevölkerung, sehr wohl aber eine im Bildungsbereich.

Keine Ghettos

„Von Ghettos sind wir in Wien weit entfernt“, sagt Judith Kohlenberger, Wissenschaftlerin am Institut für Sozialpolitik an der WU Wien. Während etwa Paris mit seinen Banlieues eine sehr starke räumlich Segregation aufweist, ist diese in Wien kaum Thema. Wenngleich doch manche Bezirke für manche Bevölkerungsgruppe stehen: Ottakring etwa assoziiere man mit dem Balkan, Favoriten mit der Türkei. Noch gelten diese Zuschreibungen aber eher als „hip“, denn als problematisch, sagt Kohlenberger.

Sehrwohl ein Problem stellt der Bildungsbereich dar. „Die Schulen sind zum Teil stark segregiert“, sagt die Forscherin. Wer es sich leisten kann, gibt sein Kind in eine Privatschule. „Der Rest kommt in die Neue Mittelschule.“ So entstehen die sogenannten Brennpunktschulen – Schulen, in denen der Anteil der Kinder mit deutscher Muttersprache verschwindend gering ist. Trotzdem unterrichten dort beinahe ausschließlich österreichische Lehrerinnen und Lehrer – ohne Migrationshintergrund. Ein „Missverhältnis“ nennt die Wissenschaftlerin das. Gegensteuern könnte man, in dem die Durchmischung „von oben herab“ gesteuert werde. Eine strenge Schulsprengelpflicht würde etwa die Durchmischung fördern. Die frühe Trennung zwischen Gymnasium und NMS verstärke die soziale Trennung der Schülerinnen und Schüler.

Vorbildfunktion

Aber: Es gibt auch gute Nachrichten. Wien lieferte der OECD eine Reihe an Vorzeigeprojekten in Sachen Integration. In der Studie angeführt wird etwa das Projekt „Start Wien“, das in Wien „Integration ab dem ersten Tag“ vorsieht. Zuwanderern werden Info-Module zu den Themen wie Zusammenleben, Gesundheit, Bildung angeboten. Auch das „Jugend College“ der Stadt erntet Lob. „Diese Colleges füllen eine Lücke im Bildungsangebot“, attestiert die OECD. Das Kursangebot des „Jugend College“ richtet sich nach den Bedürfnissen der Jugendlichen, die nicht mehr schulpflichtig sind. Ziel ist es, Schulbildung nachzuholen oder Jugendliche nach dem College in einer Lehre oder am Arbeitsmarkt unterzubringen. „Wien hat sich den Luxus gegönnt, die Mittel bedarfsorientiert einzusetzen“, sagt Kohlenberger. Und nicht nach dem Gießkannenprinzip, wie es der Bund etwa bei den verpflichtenden Wertekursen mache.

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