Die Wiener „Mutfluencer“: Wenn der Mut weite Kreise zieht
„Mutfluencerinnen“ unter sich: Julia Auly, Pauline Knibbe-Klimt, Projektkoordinatorin Julia Seewald, Amelie Riedl, Sophie Bastirsch und Sofia Kelm (v.l.).
Eine Projektgruppe, die die Kluft zwischen Stadt und Land überwinden will. Ein Gedichtband zur humanitären Krise in der Demokratischen Republik Kongo. Ein Podcast von jungen Menschen mit Fluchterfahrung. Und ein kleines Atelier, in dem man einfach nur „sein“ darf.
All das sind Projekte von „Mutfluencerinnen“ und „Mutfluencern“ – junge Erwachsene zwischen 16 und 29 Jahren, die mit Unterstützung der Caritas-Wien in ihrem Umfeld eigene Ideen mit sozialer Wirkung umsetzen. „Das Projekt ist in der Corona-Krise entstanden“, erzählt Julia Seewald, Projektkoordinatorin bei der Caritas-Wien. „Gerade junge Menschen waren besonders stark davon betroffen, dass Sozialkontakte wegbrechen. Die Idee der Caritas-Geschäftsführung war deshalb, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, aktiv zu werden, sich zu treffen und etwas für die Gesellschaft zu tun – verbunden mit finanzieller Unterstützung, damit sie selbst Ideen für ihre Generation umsetzen können.“
Dafür erhalten diejenigen, deren Einreichungen ausgewählt wurden, ein Projektbudget von 2.000 Euro – gefördert vom Sozialministerium und der „Hil-Foundation“ – sowie mehrere Trainings, etwa zu Projektmanagent, Öffentlichkeitsarbeit und Finanzierung. Sechs Monate läuft der Projektzeitraum, „und dann müssen wir sie wieder hinausschicken in die Welt“, sagt Seewald.
Menschen erreichen
Bisher wurden bereits 75 Ideen von insgesamt 106 „Mutfluencern“ umgesetzt. Fünf von ihnen sitzen an diesem frühen Novembertag im Missing-Link-Caritas-Büro um einen großen Tisch. „Wir haben schon seit sechs Jahren gemeinsam ein Atelier, sind jetzt in einem kleinen Souterrain eingemietet“, erzählt Julia Auly. Gemeinsam mit Pauline Knibbe-Klimt – beide sind bildende Künstlerinnen – hat sie hier einen Ort geschaffen, der auf vielfältige Weise bespielt wird: Ausstellungen, Konzerte, Yoga, Workshops. Das „Mutfluencer“-Coaching half dabei, ihre vielen Ideen zu bündeln und in einen klaren Rahmen zu bringen, sagen beide.
Am Ende setzten sie ein gemeinsames Festival um. „Dadurch haben wir Menschen erreicht, die wir sonst nie erreicht hätten“, sagt Knibbe-Klimt.
Dieser Multiplikator-Effekt sei Teil des Konzepts, so Seewald. „Unsere ,Mutfluencer‘ sollen ja Vorbilder sein, die den Mut haben, etwas anzugehen.“ Mit Erfolg: Durch die zahlreichen Projekte wurden bisher rund 10.000 Menschen erreicht.
Zu diesen Projekten gehört auch „Stadt Land Gemeinsam“, das sich zum Ziel gesetzt hat, mit den gegenseitigen Vorurteilen von Stadt- und Landbevölkerung aufzuräumen. Auch diese Gruppe profitierte vom Programm: „Ich kenne so viele Menschen in meinem Alter, die etwas bewegen wollen, die Ideen und Leidenschaften haben, aber die nicht wissen, wie sie dem nachgehen können“, sagt „Stadt Land Gemeinsam“-Gruppenmitglied Amelie Riedl. „Genau durch solche Förderungen kann man die Veränderung umsetzen, die man sich selbst wünscht. Und das ist einfach so wichtig und schön.“
Unsichere Zukunft
Ob es weitergeht, ist allerdings ungewiss. „Die Förderung läuft mit Jahresende aus, neue Bewerbungen sind wegen der unsicheren Finanzierung derzeit leider nicht möglich“, sagt Seewald. „Aber wir arbeiten daran“, fügt sie mit vorsichtiger Zuversicht hinzu.
Dass der „Mutfluencer“-Fortbestand wichtig wäre, darin sind sich alle Anwesenden einig. „Zu erleben, dass man etwas bewirken kann, dass man handlungsfähig und selbstwirksam ist, das hat langfristige Wirkung“, sagt Seewald.
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