Día de los Muertos: Mexikos buntes Totengedenken kommt nach Wien

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Wien und der Tod – eine alte Liaison. Doch wie lebendig das Totengedenken sein kann, zeigt der mexikanische Feiertag. In Wien wird er ab heute mit Ausstellungen und Workshops gefeiert.

Tod und Trauer sind universelle Erfahrungen. Früher oder später erfährt jeder, was es bedeutet, eine nahestehende Person zu verlieren. Doch die Art, wie Menschen ihrer Toten gedenken, unterscheidet sich von Kultur zu Kultur.

Wie farbenfroh, festlich und lebendig dieses Gedenken besonders in Mexiko, aber auch anderen lateinamerikanischen Ländern ist – und wie es sich von unserem eher stillen und besinnlichen Allerseelen unterscheidet –, davon kann man sich in diesen Tagen in Wien überzeugen. Der Día de los Muertos (Tag der Toten) steht bevor und wird in Zusammenarbeit zwischen dem Lateinamerika Institut (LAI), dem Verein Lichtraum und dem Centro Cultural Cascabel mit mehreren Ausstellungen, Workshops und Veranstaltungen einem Wiener Publikum nähergebracht.

Der kulturelle Austausch sei ausdrücklich Teil des Konzepts. „Der Tag gehört uns allen“, sagt die mexikanische Kuratorin und künstlerische Leiterin Sonia Siblik im Gespräch mit dem KURIER im LAI. Schließlich wurde der Día de los Muertos 2008 von der UNESCO in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.

Bunt geschmückter Altar mit bemaltem Totenkopf, Papierblumen, Kerzen, Figuren und traditionellen Opfergaben.

Dieser Altar der Künstlerin Gina Guajardo ist im LAI ausgestellt.  

Vermischung der Kulturen

Der Tag hat eine lange Geschichte, die auch das schmerzhafte Erbe der Conquista, der spanischen Eroberung Mittel- und Südamerikas, einschließt. „Als die Spanier auf den Kontinent kamen, brachten sie ihre eigenen Allerseelen-Tradition mit. In Mexiko gab es bereits einen ganz ähnlichen Kult – und zwar praktisch zeitgleich“, erzählt Siblik. 

Einzig die Riten und Traditionen der indigenen Völker erschienen den Europäern makaber. „Man hat die Skelette aus ihren Gräbern geholt, geputzt und dekoriert – in vielen Regionen Mexikos macht man das bis heute,“ sagt sie. Spanische Missionare „christianisierten“ das Totengedenken; heute ist die farbenfrohe Feier ein Mix aus indigener und katholischer Tradition.

Besuch aus dem Jenseits

Dem Glauben nach kommen die Seelen der Vorfahren in der Nacht vom 1. auf den 2. November auf die Erde. „Es ist, als hätten die Seelen die Erlaubnis von Gott, uns zu besuchen“, erklärt Siblik. Damit sie den Weg finden, wird vieles vorbereitet – etwa die Ofrenda, ein Altartisch, der zu Ehren der verstorbenen Familienmitglieder errichtet wird.

„Die ganze Familie sitzt dann bei der Ofrenda zusammen und erinnert sich an die Toten“, erzählt der aus Mexiko angereiste Künstler Ernesto Ramirez de Jesús. „Dieser Gedanke: ,Gleich kommt meine Großmutter‘, man fühlt fast schon ihre Umarmung – das ist die Magie des Día de Muertos.“

Ob daheim beim Altartisch, oder auf dem prächtig geschmückten Friedhof – gefeiert wird das Leben. „Und wenn die Leute das verstehen, dann verlieben sie sich in den Día de Muertos“, sagt Siblik. Das zeigt sich auch in Wien: Besucherinnen und Besucher der Ausstellungen und Workshops vergangener Jahre hätten ihr Fotos ihrer selbst gestalteten Altäre geschickt, erzählt sie.

Eine Frau mit dunklen Haaren und grünem Schal steht vor einem Kunstwerk, das einen Totenschädel mit bunten Elementen zeigt.

Die mexikanische Kuratorin Sonia Siblik lebt seit 28 Jahren in Wien.

Mit Musik auf den Friedhof

Bei den Wienern, denen ja auch eine besondere Beziehung zum Tod nachgesagt wird, beobachtet Siblik sonst einen eher ernsten Zugang zum Totengedenken. „Man geht auf den Friedhof und nimmt Trockenblumen mit – tote Blumen. Man geht dorthin, um zu weinen und zu trauern. Nehmen Sie das nächste Mal einen bunten Blumenstrauß mit und spielen Sie Musik am Grab. Die Leute werden vielleicht glauben, dass Sie verrückt sind, aber Ihre Großmutter wird sich freuen, ihr Lieblingslied zu hören.“

Der Veranstaltungsreigen beginnt heute Abend um 18 Uhr im LAI mit der Ausstellung „Zum Teufel mit dem Teufel“: „Wir feiern heuer den Día de Muertos wieder in seiner ganzen prächtigen Symbolik, Fröhlichkeit, aber auch Andacht, mit einer großartigen Ausstellungseröffnung, bei der wir auch einen authentischen mexikanischen Altar präsentieren werden“, sagt Andrea Eberl, Direktorin des LAI.

Vielleicht passt der Día de Muertos gerade deshalb so gut nach Wien – in eine Stadt, die seit jeher weiß, dass der Tod zum Leben gehört.

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