Ein Wiener Mahnmal und seine Geschichte

Die Enthüllung des Mahnmals für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoah im Oktober 2000.
In den abstrahierten Bibliothekswänden des Mahnmals am Judenplatz stehen etwa 7.000 angedeutete Bücher. Sie sind verkehrt herum in ihren Reihen eingeordnet, die Buchrücken nach innen gekehrt, für Passanten nicht lesbar. Der Zutritt zum Raum bleibt verwehrt, die Türen aus Beton sind geschlossen, ohne Türklinken.
Ein Symbol für die mehr als 65.000 jüdischen Opfer der Shoah in Österreich, deren Lebensgeschichten und Schicksale auf grausame Weise unterbrochen wurden und für die Nachwelt verloren sind.
Der Kubus aus Stahlbeton wurde nach einer internationalen Ausschreibung von der britischen Bildhauerin Rachel Whiteread entworfen.
Im Herbst 1998 wurde der Grundstein gelegt. Am 25. Oktober 2000 wurde das Mahnmal im Beisein des damaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil, des Präsidenten der Wiener Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, und Simon Wiesenthal enthüllt.
Die Konstruktion ist nicht nur visuell prägnant, auch der Grund, auf dem sie errichtet wurde, ist symbolträchtig. Denn sie steht auf den unterhalb des heutigen Straßenniveaus gelegenen Resten der mittelalterlichen Synagoge Or-Sarua, die während der Wiener Gesera (Pogrom in den Jahren 1420/21) zerstört wurde. Die jüdische Bevölkerung Wiens wurde in diesen Jahren gefangen genommen, zwangsgetauft, vertrieben oder hingerichtet.
Proteste und Debatten
Die archäologischen Grabungsarbeiten am Judenplatz fanden parallel zu den Vorbereitungen für das Mahnmal statt. Dieses hatte neben zahlreichen Befürwortern auch eine wachsende Opposition. So unterstützte etwa die FPÖ damals eine Bürgerinitiative von Anrainern, die sich gegen den Bau aussprach.
Immer lauter wurde – auch innerhalb der jüdischen Gemeinde – über die Vereinbarkeit von Ausgrabung und Mahnmal und die Verlegung des Standortes diskutiert. Dies führte zu Verzögerungen und wachsenden Zweifeln, ob das Mahnmal überhaupt aufgestellt werden würde.
Doch es kam zur Einigung und zur Verlegung des Standorts um einen Meter. So wurde verhindert, dass das Mahnmal über der Bima, dem heiligsten Ort der Synagoge steht. Die Reste der Synagoge wurden in einem unterirdischen Schauraum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Und im Jahr 2000 wurde schließlich das Mahnmal eingeweiht – als erstes in Österreich, das explizit den jüdischen Opfern des Holocaust aus Österreich gewidmet ist.
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