In Simmering ist die blaue Handschrift noch sehr blass
Es war ein mittleres Polit-Erdbeben, das vor genau einem Jahr Wien erschütterte. Bei der Bezirksvertretungswahl eroberte die FPÖ im traditionell tiefroten Simmering den ersten Platz und stellt seit November mit Paul Stadler den ersten FP-Bezirksvorsteher in der Geschichte der Stadt.
Spaziert man heute durch den 11. Bezirk, ist von einer blauen Regierungstätigkeit nicht allzu viel zu spüren. Wirklich viel Neues umgesetzt habe Stadler bis dato noch nicht, ist aus der Bevölkerung, aber auch aus der Opposition unisono zu hören (siehe unten). "Er ist ein recht umgänglicher Typ, mit dieser FPÖ im Rücken hat er es aber natürlich etwas schwer", sagt etwa der grüne Klubchef Patrick Zöchling.
Vergeblich sucht man auch nach den Palmen auf der Simmeringer Hauptstraße. Deren Pflanzung hatte Stadler im Wahlkampf angekündigt. Bisher gibt es erst zwei direkt vor dem Bezirksamt.
"Wir sind ja erst im ersten Jahr, da kann man noch nicht viel verändern", kontert Stadler. Vor allem die erste Zeit als Bezirkschef sei ganz im Zeichen der Amtsübernahme gestanden. "Tag für Tag sind im Halbstundentakt Vertreter der Magistrate gekommen, um sich vorzustellen. Dazu die Besuche in den Pensionstenclubs und die Weihnachtsfeiern. Da war ich wie niedergenagelt." Erst im März habe sich der Stress einigermaßen gelegt.
Im Kleinen habe er durchaus schon Erfolge verbuchen können, betont der FP-Politiker. Vor allem dort, wo es galt, Menschen in Notlagen zu helfen – etwa bei Problemen mit der Wohnungssuche.
Etwas schwerer tut sich der 60-Jährige mit seinem Ziel, wieder mehr einheimische Geschäfte und Betriebe auf der Simmeringer Hauptstraße anzusiedeln. "Wenn man derzeit dorthin kommt, hat man das Gefühl, Europa zu verlassen. Dadurch entstehen natürlich Spannungen", beklagt Stadler, verweist aber auf kleine Etappensiege: "Ich war bei einem Schneider, dessen Geschäft nur auf Türkisch angeschrieben war. Da hab ihm gesagt, dass das keiner versteht. Jetzt steht dort auch auf Deutsch ,Schneiderei‘ und der Inhaber freut sich, dass er inzwischen viel mehr Kunden hat."
Zwist um 71er
Noch auf sich warten lässt die Verlängerung der Straßenbahn-Linie 71. Hier ortet Stadler ein rotes Revanchefoul. Denn die Finanzierung wurde bereits unter seiner Vorgängerin Eva-Maria Hatzl und der damals zuständigen Stadträtin Renate Brauner fixiert. "Jetzt, wo ich im Amt bin, sagt ihre Nachfolgerin Ulli Sima plötzlich: Es besteht kein Bedarf. Will man die Simmeringer dafür bestrafen, dass sie Blau gewählt haben?"
Im Büro Sima weist man das scharf zurück: "Die Maßnahme macht nur im Zusammenhang mit der Verlängerung des D-Wagens Sinn. Diese wird im Rahmen der Verhandlungen zum Öffi-Paket aktuell verhandelt." Obendrein habe man auf Stadlers Wunsch die Linienführung des 71A verbessert.
Richtig spannend wird es für Stadler aber erst in den nächsten Monaten. Denn ausgerechnet unter einem blauen Bezirksvorsteher könnte Simmering 2018 ein Parkpickerl bekommen. Vorher will Stadler aber die Bevölkerung befragen.
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