Impfschaden: Rechnung für den toten Sohn

Impfschaden: Rechnung für den toten Sohn
Sozialamt wollte von Mutter, die Pflege geleistet hatte, Mindestsicherung zurück.

"Unerwartet früh bist Du gegangen", steht auf seinem Partezettel: Florian, 7.12.1965–12.6.2015. Zwei Impfungen haben den Wiener Psychologie-Studenten mit 24 Jahren binnen weniger Wochen zum Pflegefall gemacht. So steht es zumindest im Gutachten eines Sachverständigen sowie im Pflegegeldbescheid. Die dort genannte Impfencephalitis (Gehirnentzündung nach Impfung) wurde jedoch bei der Prüfung eines Entschädigungsanspruchs niemals anerkannt.

Absicherung

Florians Mutter Gunthilde Schmidt hat ihren Sohn mehr als 20 Jahre lang bis zu dessen Tod daheim gepflegt. Die Eigentumswohnung, für die sie gemeinsam mit ihrem (ebenfalls verstorbenen) Mann ein Leben lang die Raten abgestottert hatte, war 2009 ausbezahlt. 2010 überschrieb sie die Wohnung Florian, damit er abgesichert ist, wenn sie einmal nicht mehr da sein würde.

Doch Florian starb vor ihr. Gunthilde Schmidt erbte die Wohnung von ihrem Sohn sozusagen zurück. Im Verlassenschaftsverfahren trat das Sozialamt der Stadt Wien auf den Plan: Weil die 82-jährige Frau nach dem Tod des Sohnes als Erbin zu Vermögen gekommen sei (die Eigentumswohnung), sollte sie nun jene 22.736 Euro (zurück-)zahlen, die Florian von 2008 bis 2010, bis zum Tod seines Vaters, an Mindestsicherung bekommen hatte. Ab dann erhielt er bis zu seinem eigenen Tod 2015 Halbwaisenrente. Die Ansprüche gegen den Bezieher der Mindestsicherung verjähren nach drei Jahren, gegen den Erben jedoch erst nach zehn Jahren. Da war also offenbar noch etwas zu holen.

Impfschaden: Rechnung für den toten Sohn

Gunthilde Schmidt fand die Forderung, die ihr vor Weihnachten ins Haus flatterte, ungeheuerlich: "Florian ist ja nicht gestorben, weil er ein Säufer war oder Drogen genommen hat, sondern weil er geimpft wurde", sagt sie zum KURIER. Ihr Anwalt Gerold Beneder legte gegen den Bescheid der MA 40 Beschwerde ein. "Die Mutter muss ihrem Sohn ins Grab nachschauen und bekommt als ‚Belohnung‘ noch eine Rechnung, dass man gerne die 22.000 Euro zurückhaben möchte", sagt er.

Von Überlegungen der Pietät einmal abgesehen: Was das Amt vollkommen außer Acht ließ, war der von niemandem entlohnte Pflegeaufwand der Frau für ihren Sohn. Florian hatte seinen Zivildienst bereits abgeleistet, studierte, arbeitete nebenbei in der Garderobe des Musikvereins und hatte eine Freundin: Das war sein Leben vor dem Jahr 1989. Nach zwei Impfungen (Tetanus und Polio-Salk) bekam er zunächst eine Allergie, dann einen Herzinfarkt und schließlich einen Zusammenbruch.

Impfschaden: Rechnung für den toten Sohn
"Ich fühle mich atomisiert", sagte Florian damals: "Sollte ich jetzt sterben, kann ich mich drüben nicht mehr zusammenfügen."

Schiefes Gesicht

Seine Freundin bemerkte nach den Impfungen als Erste, dass etwas nicht stimmt: Florian hatte ein "schiefes" Gesicht. Später verfaulten ihm die Zähne im Mund und fielen alle aus.

Anfangs pilgerte Florian von Spital zu Spital, von Arzt zu Arzt, aber dort hörte man nirgendwo gerne seine Geschichte vom Impfschaden. Er konnte nicht mehr arbeiten, musste das Studium aufgeben, die Beziehung zu seiner Freundin endete. Es traten Ödeme auf, Atembeschwerden, Übelkeit. In seinen letzten Jahren konnte Florian die Wohnung nicht mehr verlassen und musste rund um die Uhr von seiner Mutter gepflegt werden.

Eben diese Wohnung wurde nach Florians Tod von der MA 40 als "verwertbares Vermögen" herangezogen und das dringende Wohnbedürfnis von Gunthilde Schmidt unter den Tisch gekehrt.

Noch bevor sich das von Anwalt Beneder angerufene Verwaltungsgericht mit dem Fall befasste, hatte beim Amt der Wiener Landesregierung doch noch jemand ein Einsehen: Der Bescheid wurde aufgehoben. Von einer Impfschaden-Entschädigung ist weiterhin keine Rede.

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