Immer mehr Chinesen zieht es ins romantische "Weiyena"

Schönbrunn ist ein beliebtes Ausflugsziel
Zahl der Nächtigungen chinesischer Touristen steigt deutlich an. Betriebe stellen sich daher gezielt auf die Bedürfnisse ihre neuen Gäste ein.

"China und Wien? Das passt einfach gut zusammen", betont Sonja Ishak, China-Expertin bei Wien Tourismus. Und die Zahlen geben ihr recht: Immer mehr chinesische Touristen zieht es ins schöne "Weiyena" – in die Stadt der klassischen Musik und der imperialen Pracht. Zählte man im Vorjahr 285.000 Nächtigungen chinesischer Gäste, waren es heuer bis Ende Oktober bereits 289.000. Das entspricht einem Plus von 13,2 Prozent. Chinesen belegen nach den US-Amerikanern mittlerweile Platz zwei bei Touristen, die aus Ländern außerhalb Europas anreisen.

Immer mehr Chinesen zieht es ins romantische "Weiyena"
ABD0071_20150403 - WIEN - ÖSTERREICH: THEMENBILD - Chinesische Touristen fotografieren am Freitag, 3. April 2015, im Burggarten in der Wiener Innenstadt. - FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER
"Es ranken sich so viele Mythen um China. Das nahmen wir zum Anlass, nun einen praktischen Einblick in diesen Markt zu geben", erklärt Tourismus-Direktor Norbert Kettner. Am Donnerstag fand daher in Wien erstmals eine Info-Veranstaltung statt, in der Touristiker umfassend über Wünsche und Bedürfnisse chinesischer Gäste informiert wurden. Der KURIER durfte exklusiv daran teilnehmen.

Was zeichnet sie also aus, die Gäste aus China? "Das Klischee, dass sie in großen Gruppen reisen, in billigen Zwei-Stern-Hotels wohnen und zehn Länder in zehn Tagen besichtigen, stimmt nicht", sagt Expertin Renée Hartmann, die 16 Jahre in China lebte und nun Tourismusbetriebe berät. Es gebe mittlerweile immer mehr Individualreisende, Vier- und Fünf-Sterne-Hotels seien sehr gefragt, und die Reisen wurden zumindest etwas weniger hektisch. "Das heißt: Nur sieben Länder in zehn Tagen", scherzt Hartmann.

Die offensichtlichste Hürde ist freilich die Sprachbarriere: "Wichtig ist, zumindest grundlegende Infos auf Chinesisch zur Verfügung zu stellen", betont Hartmann.

Sprachkenntnisse

Punkten kann, wer gar profunde Beratung auf Chinesisch bietet, weiß Astrid Stüger, Inhaberin vom Uhrengeschäft Jaeger-LeCoultre in der Wiener Innenstadt: "Von Vorteil ist, einen Mitarbeiter zu beschäftigen, der möglichst viele Variationen des Chinesischen beherrscht."

Immer mehr Chinesen zieht es ins romantische "Weiyena"
Chinesin, Wen Hsuan YU, Verkäuferin bei Jaeger Le Coultre
Daher beschäftigt sie seit drei Jahren die Taiwanesin Wen Hsuan Yu. "Chinesen sind zudem oft unter Zeitdruck. Sie erwarten rasche und exakte Beratung", sagt Stüger.

Dies bestätigt Philipp Pelz, Geschäftsführer des Juweliers Wempe in der Wiener City: Seit vier Jahren arbeitet Wenfeng Liu für ihn. "Es ist für die Kunden angenehmer, wenn sie in ihrer Muttersprache sprechen können. Außerdem signalisieren wir ihnen so, dass wir wirklich auf sie eingehen." Dies schaffe Vertrauen – und gerade Vertrauen sei wesentlich, wie auch Hartmann betont. "Chinesen wollen sicher sein, dass man sie nicht austrickst." Mundpropaganda spiele daher eine zentrale Rolle: "Freunde und Familie sind die wichtigsten Informationsquellen. Wenn sich ein Gast in einem Hotel wohlfühlt, reisen möglicherweise auch bald seine Freunde an", ergänzt die Expertin.

Wichtig sei übrigens, Chinesen tunlichst nicht im vierten Stock oder in Zimmer Nummer vier unterzubringen, betont Hartmann. Die Zahl gilt als Unglückszahl, da das chinesische Wort für Vier ähnlich klingt wie jenes für Tod. Ansonsten würden Chinesen Wert auf Transparenz legen, fügt sie hinzu: "Sie möchten etwa genau wissen, was im Preis inkludiert ist."

Elisabeth Perwanger ist General Managerin bei Steigenberger Hotels, wo man sich seit einem Jahr intensiv um chinesische Kunden bemüht: "Sie schätzen es, wenn man in den Zimmern Bademäntel, Pantoffeln und einen Wasserkocher anbietet", erklärt sie. Auch das Frühstücksbuffet habe man angepasst: Es gibt nun etwa Reis- und Misosuppe. Sehr wichtig sei auch gratis W-LAN, denn Chinesen sind in den sozialen Medien ausgesprochen aktiv.

Neue Zielgruppe

Als vielversprechende Zielgruppe gelten übrigens die sogenannten Millennials – also jene 200 Millionen Chinesen, die 15 bis 24 Jahre alt sind. "Wohlhabende junge Chinesen haben im Schnitt bereits 13 Länder besucht", erklärt Hartmann. "Sie wollen die Welt erkunden, viel erleben und viele Selfies machen. Und sie lieben Europa, weil sie es romantisch finden."

Immer mehr Chinesen zieht es ins romantische "Weiyena"
Chinesen
Beliebt sei daher, in Europa zu heiraten: "Wohlhabende Chinesen feiern gerne zwei Hochzeitsfeiern: Eine zu Hause, und eine zum Beispiel in Wien." China und Wien – das passt also auch in dieser Hinsicht zusammen.

KURIER: Wie viele chinesische Touristen besuchen Jahr für Jahr Wien?

Norbert Kettner: Hier verzeichnen wir erfreulicherweise laufend Rekorde. Im Vorjahr erreichten wir bereits doppelt so viele Nächtigungen chinesischer Touristen wie noch 2011. Von Jänner bis Oktober 2016 gab es 289.000 Nächtigungen von Chinesen in Wien: Das ist erneut ein Plus von 13,2 Prozent gegenüber 2015. Und die Tendenz ist steigend.

Häufig denkt man bei Gästen aus China vor allem an Gruppenreisen. Stimmt dieses Klischee noch?

Es gibt leider noch viele falsche Vorstellungen. Ja, viele Chinesen reisen nach wie vor gerne in der Gruppe – es gibt aber auch immer mehr Individualreisende. Chinesische Gäste sind außerdem definitiv keine Billig-Gäste: Reisende aus Hongkong geben pro Wien-Besuch im Schnitt 1670 Euro aus, Besucher vom Festland 961 Euro. Außerdem wohnen 66 Prozent der chinesischen Touristen in Österreich in Vier- oder in Fünf-Stern-Hotels.

Was schätzen die chinesischen Gäste besonders an Wien?

Die Romantik und die Kultur. Wien ist für sie die Stadt der Musik. Und Wien ist eine Metropole, dennoch ist das Reisen hier stressfreier als in anderen Großstädten. Sie mögen es, dass man die Stadt gut zu Fuß erkunden kann. Außerdem wird das individuelle Reiseerlebnis immer wichtiger: Sie wollen ein authentisches Europa erleben, gleichzeitig schätzen sie aber die Übersichtlichkeit und die Sicherheit Wiens.

Was muss ein Tourismusbetrieb für chinesische Gäste unbedingt anbieten?

Gratis W-LAN. Das ist für sie so wichtig wie elektrisches Licht. Zahlreiche Chinesen schreiben Blogs, viele sind auch sehr aktiv in den sozialen Medien.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Wir konzentrieren uns künftig verstärkt auf Individualreisende, aber auch auf Firmen-Reisen. Bis 2020 streben wir außerdem ein Plus von 20 Prozent bei der Zahl der Nächtigungen chinesischer Touristen an. Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel, aber das können wir schaffen. Und als Lehre aus unserer Info-Veranstaltung über chinesische Touristen und deren Bedürfnisse ziehe ich den erfreulichen Schluss: In Wien sind wir eindeutig China-fit.

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