Höchstgericht prüft, ob die Wien-Wahl wiederholt werden muss
Die Wien-Wahl könnte wiederholt werden müssen. Zumindest theoretisch ist es möglich, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu diesem Ergebnis kommt. Denn die Kleinpartei „Artikel eins“ ficht die Gemeinderats- und die Bezirksvertretungswahl vor dem Höchstgericht an. Dieser Tage hat der VfGH alle gewählten Parteien über das Verfahren informiert.
Nach Ansicht von „Artikel eins“ – einem Zusammenschluss mehrerer Initiativen, der sich nach Artikel 1 der Bundesverfassung benannt hat – widerspricht die Wiener Gemeindewahlordnung einem Erkenntnis des VfGH aus den 1970ern. Darin heißt es sinngemäß, dass das Vorwahlverfahren – also das Sammeln von Unterstützungserklärungen – nicht wesentlich aufwendiger sein dürfe als die Wahl selbst.
In der Realität ist es jedoch so, dass die Unterstützungserklärungen, die eine Partei für eine Kandidatur benötigt, persönlich am Bezirksamt abzugeben sind, während die Stimmzettel bei der Wahl selbst auch per Post geschickt werden können.
„Wenn man die Entscheidung des VfGH konsequent anwendet, dann verletzt die Wiener Gemeindewahlordnung also das Demokratieprinzip“, erklärt Rechtsanwalt Georg Rihs, der „Artikel eins“ vertritt.
Faktor Corona
Dazu komme, dass es für kleinere Parteien ungleich schwieriger sei, die notwendigen Unterstützungserklärungen zusammenzubekommen als für Großparteien, die bloß die Unterschriften von fünf Nationalratsabgeordneten benötigen.
Das gelte umso mehr angesichts der Corona-Pandemie: Besonders ältere Wähler hätten den Weg in die Öffentlichkeit (also etwa aufs Bezirksamt) gescheut, argumentiert „Artikel eins“.
Auch diese Ungleichbehandlung ist Grund für den Gang vor den VfGH. „Uns geht es nicht um Amterln im Gemeinderat, sondern um faire Wahlbedingungen“, betont Gerhard Kuchta von der Kleinpartei.
Jurist Rihs hält es jedenfalls für möglich, dass der VfGH die Wien-Wahl für nichtig erklärt. Das Verfahren wurde bereits eingeleitet und in der Session im Frühjahr dürfte die Causa auf der Tagesordnung stehen.
Parteien sind „gelassen“
Bei der Stadtwahlbehörde (in der SPÖ, ÖVP, Grüne und Neos vertreten sind) kann man den Grund für die Wahlanfechtung jedenfalls nicht nachvollziehen. Ihrer Ansicht nach ist die Gemeindewahlordnung „völlig verfassungskonform“. Daher gehe man davon aus, dass die Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen 2020 nicht aufgehoben werden.
Generell hält sich die Aufregung in Grenzen. SPÖ, ÖVP und Grüne vertrauen auf die Entscheidung des VfGH. Die Neos zeigen sich „gelassen“ und glauben ebenso wenig an die Erfolgschancen der Wahlanfechtung wie die FPÖ.
Bei den anderen Kleinparteien, die ebenfalls Unterstützungserklärungen sammeln mussten, bewertet man den Vorstoß unterschiedlich. So hält SÖZ-Obmann Hakan Gördü nichts von einer Wahlwiederholung: „Die würde am Ergebnis nichts ändern. Zudem würden wir uns freuen, wenn uns Wahlkampfkosten und -aktivitäten in Corona-Zeiten erspart blieben.“
„Nicht uninteressant“ findet dagegen Team-HC-Strache-Generalsekretär Christian Höbart die Überprüfung durch das Höchstgericht. Eine Wahlannullierung möchte aber auch er nicht.
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