Häupl: „Keine Geduld mehr für Parteisitzungen“
Die Pilotensonnenbrille im Brusttascherl seines Sakkos, die Hände in den Hosensäcken. So wie man ihn kennt, beging Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) Dienstagvormittag seinen Abschiedsbesuch bei der Wiener Caritas. Dabei sei es für ihn gar kein Abschiedstermin: „Bis 24. Mai arbeite ich voll, danach anders“, sagte der Stadtchef. Ein Abschied wurde es trotzdem, ein emotionaler noch dazu.
Die Projekte, von denen sich Häupl gemeinsam mit Caritas-Präsident Michael Landau und Caritas Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner ein Bild machte, waren nicht zufällig gewählt. Beide in Häupls „geliebtem Heimatbezirk“ Ottakring. Das eine – Arbeitsraum – ein Projekt, bei dem Langzeitarbeitslose aus Werbeplanen Taschen und Rucksäcke herstellen, um so wieder den Einstieg ins Berufsleben zu schaffen. Das andere – JUCA – ein betreutes Wohnhaus, in dem junge Obdachloses wohnen können.
Unter Häupl sei „extrem viel weitergegangen“, lobte Landau. „Du hast den Menschen Chancen gegeben.“ Dass Wien eine „geniale Stadt ist, glaube ich deshalb so, weil hier auf alle Menschen geachtet wird“. Auf Obdachlose, Kranke, Behinderte, auf Menschen in Not. „Deshalb lässt man dich nicht gerne ziehen“, sagte Landau und überreichte dem Bürgermeister ein Shirt der YoungCaritas und eine Flasche Wein. Sichtlich gerührt nahm Häupl die Geschenke entgegen – um eine Wuchtel war er trotzdem nicht verlegen. „Was is des jetzt für a Caritas-Projekt?“, fragte er, die Weinflasche inspizierend. Der Wein aber kommt tatsächlich aus einem Caritas-Projekt.
Häupl ging eine Runde im Arbeitsraum und traf Marvin (25), der zwei Lehren (Behindertenbetreuer und Gastronomieassistent) abgeschlossen hat, aber keinen Job findet. Im JUCA erzählte ihm Mike (30) von seinem Leben: Mike machte Schulden, flog aus seiner Gemeindewohnung, landete auf der Straße. „Sama si ehrlich“, sagt er zum Bürgermeister. „Das war’s dann mit Wohnen.“ Weil er deshalb nicht fünf Jahre durchgängig in Wien gemeldet war, bekam er keine neue Gemeindewohnung: „Fünf Jahre, das schafft ja keiner“, sagte Mike.
Keine Wehmut
„Es gehört schon politisches Wollen dazu, dass möglichst wenige Menschen in Wien in Armut leben“, sagte Häupl. „Dass uns das nicht immer gelungen ist, tut niemandem mehr weh, als mir.“ Von einer Wartefrist bei der Mindestsicherung, wie sie sein Nachfolger in den Raum stellte, hält er nichts: „Was sollen die Menschen in der Zeit essen? Wovon sollen sie leben?“, fragte Häupl. Kürzungen bei der Mindestsicherung seien „widerlich genannt. Einfach zum Schämen.“
Ob Häupl wehmütig ist, angesichts seines baldigen Abtretens? „Nein, ich habe keine Wehmut. Bei der nächsten Gemeinderatswahl wäre ich 71. Es ist genug.“
Außerdem habe er keine Geduld mehr. „Es heißt ja, dass man im Alter geduldiger wird. Bei mir ist das jedenfalls nicht der Fall. Allein für Parteisitzungen habe ich keine Geduld mehr.“
Im Übrigen sei er ja auch nach dem 24. Mai noch da: „Ich bin nicht aus der Welt, ich bin ums Eck“ – zumindest in Ottakring.
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