Häupl: "Gratiskindergarten bleibt"
Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SP) tourte zwei Tage durch Brüssel, die Hauptstadt der Europäischen Union. Er traf Kommissar Gio Hahn, er stattete seinem Amtskollegen Freddy Thielemans einen Besuch ab und sprach mit Vertretern der Regionen. Auf der Fahrt zum Brüsseler Airport gab der Bürgermeister dem KURIER ein Interview.
KURIER: Herr Bürgermeister, wie sieht Ihre Bilanz nach einem Jahr Rot-Grün in Wien aus?
Michael Häupl: Wenn man die letzten Monate Revue passieren lässt, ist die Bilanz positiv. Die Zusammenarbeit funktioniert und zeigt den Wählern: Es gibt noch etwas anderes als Rot-Schwarz oder - was besonders schlimm wäre - Blau-Schwarz.
Dass die Grünen, mit der Roten Basis in Sachen kleines Glücksspiel gemeinsame Sache machten, konnte die Harmonie nicht trüben?
Nein, hier ist es einer kleinen Gruppierung der Partei gelungen, sich bei der Abstimmung am Landesparteitag durchzusetzen. Das nehme ich ebenso zur Kenntnis wie die Tatsache, dass die Grünen sich festgelegt haben, kein neues Landesgesetz zu beschließen.
Wieso verkauft die SP das Verbot nicht als das, was es ist: als Erfolg und als Absage an ruinierte Spielerexistenzen?
Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube. Jeder weiß, dass ich mir ein neues Landesgesetz und somit eine stärkeren Jugend- und Spielerschutz gewünscht hätte. Darüber hinaus sollten mit dem Gesetz private Finanzmittel für Spielsüchtige eingefordert werden.
Mehr Spielerschutz geht auch ohne neues Gesetz.
Natürlich, aber mit dem Verbot geht ein Steuerverlust von 50 Millionen Euro einher. Ich lasse mir nicht vorwerfen, die SP sei eine Schuldenmacherpartei, während gleichzeitig so getan wird, als wären 50 Mio. Euro Peanuts. Nun wird sich eben die Bundesregierung überlegen müssen, ob die geltenden Regelungen Spieler ausreichend schützen.
Derzeit macht die rote Gewerkschaft gegen die rote Gesundheitsstadträtin mobil. Im Spitalswesen drohe der Kollaps. Haben Sie Verständnis für die Anliegen?
Selbstverständlich wissen wir, dass der Pflegeberuf sehr hart ist. Andererseits muss man sagen, dass es in Wien weit mehr Pfleger gibt als in anderen Bundesländern. Die Frage lautet also: Brauchen wir noch mehr Personal oder reicht es, bestehende Abläufe zu verbessern? Darüber müssen wir reden. Meine Tür steht offen.
Dass die Gewerkschaft das Rathaus mit Scheinwerfern in Flammen gesetzt hat, hat Sie nicht gestört?
Erfreut war ich nicht. Aber ich habe in meinem politischen Leben selbst genug Demonstrationen organisiert, um das nicht überzubewerten. Ich stehe für Gespräche zur Verfügung.
Wie beurteilen Sie die Debatte rund um Bundeskanzler Werner Faymann? Unterlagen der ÖBB sollen belegen, dass er als Verkehrsminister das Unternehmen anwies, Anzeigen in Millionenhöhe im Boulevard zu schalten.
Damit soll doch nur von schwarz-blauen Korruptionsskandalen abgelenkt werden. Von Skandalen also, bei denen tatsächlich Millionen auf die Seite geschafft wurden. Das ist durchsichtig und ändert nichts an der Tatsache, dass die schwarz-blauen Malversationen in einem U-Ausschuss untersucht werden müssen.
Die ÖVP wirft der Stadt vor, vor der Wien-Wahl 2010 über stadtnahe Betriebe 15 Millionen Euro in Krone, Heute und Österreich gebuttert zu haben, um sich genehme Berichterstattung zu sichern.
Das ist lächerlich. Selbstverständlich inserieren stadtnahe Betriebe in Zeitungen. Und es wäre absurd, wäre das nicht der Fall. Erwin Pröll (Landeshauptmann NÖ, Anm.) wird die Medienarbeit ebenfalls nicht einstellen, nur weil Landtagswahlen vor der Tür stehen. Wir haben gegenüber unseren Bürgern schließlich auch eine Informationspflicht.
Wie lange kann es sich Wien angesichts der Krise noch leisten, am Gratiskindergarten festzuhalten?
Der Gratiskindergarten bleibt. Anders als in anderen Bundesländern schaffen wir ihn nicht ab.
Werden Sie die Wiener SPÖ noch in die Nationalratswahlen 2013 führen?
Was für eine Frage! Selbstverständlich.
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