Grüne Parklets sollen das Mikroklima verbessern und erlauben die Rückeroberung eines kleinen Stücks öffentlichen Raums von den Autos – zumindest temporär.
Mit einem kleinen Stich viel Energie freisetzen: So beschreibt Trendforscherin Oona Horx Strathern das Konzept der urbanen Akupunktur. Was nichts anderes bedeutet, als die Stadt durch kleine Eingriffe auf lokaler Ebene lebenswerter zu machen.
Etwas weiter heruntergebrochen könnte man auch sagen: Einfach mal machen! Also genau die Idee hinter dem Programm der Wiener Grätzloasen.
Seit 2015 unterstützt die Lokale Agenda 21 (LA21) im Auftrag der Stadt Initiativen, die auf der Fläche von zwei temporär umfunktionierten Parkplätzen begrünte Erholungsflächen, sogenannte grüne Parklets, errichten wollen, die dann allen Menschen offenstehen – ob zum Rasten, Lesen oder als Treffpunkt.
Und das Interesse steigt: 75 Parklets wurden 2021 beantragt, 82 im Vorjahr und 91 in diesem. Inklusive der zweiten Schiene, „Junges Grätzel“, sollen dieses Jahr 122 Grätzloasen umgesetzt werden.
„Unsere Idee ist es, das Wohnzimmer auf die Straße zu bringen“, sagt Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ). Weil nur die wenigsten eine Terrasse haben. Und weil der öffentliche Raum der Allgemeinheit gehört. „Ich glaube, das ist eine zentrale Aufgabe für die Stadt der Zukunft, dass wir sie als unseren gemeinsamen Raum zurückgewinnen“, sagt Czernohorszky.
Dass das funktioniert, sieht man nicht nur, wenn man offenen Auges durch die Stadt geht, das bestätigt auch Lilli Lička. Die 60-Jährige ist Leiterin des Instituts für Landschaftsarchitektur an der BOKU und sie hat mit Gleichgesinnten ein Parklet im 15. Bezirk umgesetzt. „Wir kriegen irrsinnig viele Komplimente und es sitzen wirklich oft Leute da“, erzählt sie nicht ohne Stolz in ihrem kleinen Paradies in der Hackengasse.
Lička, Czernohorszky und Sabrina Halkic von der Lokalen Agenda 21 (v.l.) im 15. Bezirk
Mütter mit Kindern, Touristinnen und Touristen, Ältere: Unterschiedlichste Bevölkerungsgruppen nutzen die Möglichkeit, sich in der immer heißeren Stadt ohne Konsumzwang kurz ins kleine Grüne setzen zu können.
Für Ältere sind solche Orte von besonderer Bedeutung. Die Mobilität nimmt ab, die Einsamkeit steigt. „Daher sind solche sozialen Orte für eine alternde Gesellschaft sehr wichtig“, sagt Horx Strathern. Das bestätigt auch Sabrina Halkic, Geschäftsführerin der LA21. „Gebaut werden die Grätzloasen von den Jungen, aber genutzt werden sie oft von den Älteren.“
Weitere Wünsche
Halkic und ihr Team unterstützen nicht nur bei der Bürokratie, sondern auf Wunsch auch hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten. Und, nicht unwesentlich: mit bis zu 4.000 Euro Projektförderung, etwa für Baumaterial, Bepflanzung oder auch Versicherung. Das kann, muss aber nicht reichen.
Einreichung
Erster Schritt ist ein möglichst detaillierter Antrag an den Magistrat, inklusive Skizzen des geplanten Projekts. Dieser wird von einer „Jury“ aus MA 18, 19 und 46 geprüft. Wird an dem Standort zum ersten Mal eine Grätzloase beantragt, wird auch eine Ortsverhandlung angesetzt, zu der unter anderem Bezirk und Wirtschaftskammer eingeladen werden.
Unterstützung
Die Lokale Agenda 21 unterstützt Antragstellerinnen und -steller mit Know-how, Logistik und auch Geld: graetzloase.at
Die Gruppe um Lička hat beispielsweise noch einmal 1.500 Euro zugeschossen. „Wir hatten aber hohe Ansprüche, auch hinsichtlich der Ausführung“, sagt sie. Dennoch würde sie sich noch mehr Unterstützung seitens der Stadt wünschen, schließlich muss ein Parklet nicht nur errichtet, sondern auch erhalten werden. Zweimal täglich gießen ist im Sommer etwa Pflicht.
Und auch andere Wünsche und Probleme gibt es, klein wie groß. Malu Engelmann, die vor ihrem Maklerinnenbüro in der Zieglergasse ein Parklet eingerichtet hat, wünscht sich etwa, im Herbst nicht abbauen zu müssen (die Oasen hängen an der Schanigartenregelung, Anm.).
An der Angewandten in der Inneren Stadt konnte man wiederum gar nicht erst aufbauen: Zwar winkte die Magistrats-„Jury“ das beantragte Parklet am Georg-Coch-Platz durch, bei der Ortsverhandlung protestierte die Wirtschaftskammer aber gegen den Wegfall der zwei Parkplätze. Daraufhin wurde der Antrag zurückgezogen.
Und natürlich gibt es auch Anrainer-Widerspruch gegen die Grätzloasen. Weniger bei den aufwendiger gestalteten, mehr bei den einfacheren mit weniger Bewuchs. Für Czernohorszky normal im Rahmen so eines Projekts. „Es ist alles eine Frage des Aushandelns“, sagt er, und: „Es ist eine ständige Weiterentwicklung“. Dynamik, Flexibilität und Einbindung als Schlüsselfaktoren des Projekts, sozusagen. „Es ist wie eine Art Denkmal für eine andere Stadt, so eine Art Schatten der Zukunft. Deswegen bin ich ein ziemlicher Fan.“
Anders gesagt: Einfach mal machen. Sofern man darf.
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