Grätzel-Lokal Herbststraße 15: "Unaufgeregtes Miteinander"

Jeden zweiten Montag findet das „Montagsgasthaus“ statt. Hier kochen Hobbyköche gegen eine Spende. Es ist eines von vielen Angeboten in der „Herbststraße 15“, das von der Gebietsbetreuung (GB*) betreut wird
Kochaktion, Leihladen, Zumbakurs – in einem ehemaligen Gasthaus kommen Nachbarn zusammen.

Abdul Aziz Golami blickt zögerlich ins Lokalinnere und tritt dann doch ein, in die "Herbststraße 15". Auf dem alten Holztisch mitten im Raum stehen Kaffee und Kekse. Um den Tisch herum sitzen eine Handvoll Menschen, die ihn willkommen heißen.

Er würde gerne einen Malkurs anbieten, sagt Golami, ob denn Interesse besteht?

Würde Antonia Dika das hören, würde es ihr Herz wohl höher schlagen lassen. Genau deshalb richteten Dika mit Florian Brand und anderen Kollegen von der Gebietsbetreuung (GB*) das ehemalige Gasthaus in Ottakring her: Es soll ein öffentliche Indoor-Raum sein; ein "unaufgeregter" Grätzel-Treffpunkt, "wo die Nachbarschaft ohne großes Tamtam zusammenfinden kann", wie Dika erläutert.

Grätzel-Lokal Herbststraße 15: "Unaufgeregtes Miteinander"
Grätzel: Herbststraße 15
Anders als das Brunnenviertel mit seinem Yppenplatz oder das Nibelungenviertel mit dem Kriemhildplatz gibt es rund um die Herbststraße nämlich wenig öffentlichen Raum, an dem die Bewohner zusammenkommen können. "Also mussten wir einen Platz kreieren", sagt Dika. Und der wird dankbar angenommen.

Weichzeichnen

Hamayun Mohammed Eisa, ein gebürtiger Afghane, steht vom Tisch auf, schüttelt seinem Landsmann Golami herzlich die Hand und lässt sich seine Zeichnungen zeigen. Hamayun Eisa ist einer von rund 40 Grätzeleltern in Wien und fast jeden Mittwochnachmittag im Café in der Herbststraße anzutreffen. Diese freiwilligen Helfer der Caritas helfen in schwierigen Wohn- und Lebenssituationen. Rund 300 Hausbesuche hat Hamayun Eisa in den vergangenen vier Jahren getätigt, bei Schimmelbefall beraten oder Neuankömmlingen erklärt, dass man in Österreich Wert auf Pünktlichkeit legt.

Grätzel-Lokal Herbststraße 15: "Unaufgeregtes Miteinander"
Grätzelreportage, Herbststraße, 16.,
Das Grätzeleltern-Café ist aber nur ein Angebot von vielen in dem Erdgeschoßlokal. Was es noch gibt, steht auf der Tafelwand hinter der Schank. Samstags ab neun Uhr bietet zum Beispiel Michaela Lichtblau Zumba an.

Michaelas Rückkehr

Die heute 50-jährige Ernährungs- und Fitnesstrainerin Lichtblau ist in Ottakring aufgewachsen ("gleich beim Hoffer Park ums Eck") und nach Zwischenstopps in anderen Bezirken, vor einigen Jahren wieder hier angekommen. Nicht alles habe sich in dem Bezirk seit ihrer Abwesenheit zum Besseren gewendet; wenn des Nachts jemand hinter ihr geht, bekommt sie mitunter ein mulmiges Gefühl. Umso mehr freut sie das Projekt "Herbststraße 15". Sie gibt nicht nur Unterricht, sie hat hier neue Freunde gefunden und auch beim "Montagsgasthaus" mitgeholfen. Hier kochen Hobbyköche jeden zweiten Montag gegen einen geringen Obolus ein Abendessen für die Nachbarschaft.

Küchenutensilien borgen sie sich ab und an von Leila aus, dem Leihladen, der ebenfalls in dem ehemaligen Gasthaus untergebracht ist. Das Konzept ähnelt dem einer Bücherei: Wer Mitglied ist, kann sich vom gesamten Fundus bei Bedarf etwas ausleihen.

Grätzel-Lokal Herbststraße 15: "Unaufgeregtes Miteinander"
Grätzel: Herbststraße 15
Das Sortiment reicht von Werkzeug, über Bügelbretter bis zum Tauchermesser. Ziel ist es, Ressourcen zu sparen und Menschen zu helfen, die nicht so viel Geld haben. Leila-Mitbegründer Simon Büchler dazu: "Gebrauchsgegenstände sollen Gegenstände sein, die auch tatsächlich gebraucht werden – und nicht den Großteil ihrer Zeit im Schrank verbringen."

Geht es nach Bezirksvorsteher Franz Prokop (SPÖ) soll die "Herbststraße 15" nicht das einzige derartige Grätzel-Lokal bleiben.

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