Gastpatientendebatte: Bundesländer drohen rechtliche Schritte an

Doctors performing surgery in hospital operating room
Niederösterreich und das Burgenland wehren sich gegen Benachteiligung von Patienten in Wiener Spitälern. Betroffene sollen sich melden.

Zusammenfassung

  • Wien will Gastpatienten aus anderen Bundesländern bei planbaren Behandlungen stärker benachteiligen, um Mehrkosten zu reduzieren.
  • Niederösterreich und das Burgenland kritisieren die Pläne scharf und prüfen rechtliche Schritte gegen Wien.
  • Die Debatte dreht sich um Kostenverteilung, rechtliche Zulässigkeit getrennter Wartelisten und die Versorgungssituation in den Bundesländern.

Mit der Ankündigung, er wolle bei Gastpatienten aus anderen Bundesländern in Wiener Kliniken „noch rigoroser werden“, wie er im Interview mit der Presse ankündigte, hat SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker einigen Staub aufgewirbelt. Aus Niederösterreich und dem Burgenland kommen scharfe Antworten.

Werden Patienten aus den Bundesländern in Wien benachteiligt? Im Notfall stehen die Wiener Spitäler jedem offen, der Hilfe braucht. Bei planbaren Operationen oder Behandlungen sollen Personen mit Hauptwohnsitz in Wien wegen der Kosten aber Vorrang haben, sagt Hacker.

Was ist der Hintergrund für die Debatte? Es geht natürlich ums liebe Geld. Wien bekommt zwar über den Finanzausgleich (FAG) Geld für die vorwiegend aus Niederösterreich und dem Burgenland stammenden Gastpatienten, dieses reiche aber längst nicht mehr zur Deckung der Kosten. Konkret bleibt die Bundeshauptstadt laut eigenen Angaben vom vergangenen Jänner auf Mehrkosten von rund 450 Millionen Euro pro Jahr für die Behandlung dieser Patienten sitzen.

Wie kommt es zu dieser Schieflage? Wien bietet zahlreiche Spezialleistungen an, die es in den anderen Bundesländern der Ostregion nicht gibt. Dazu gehört allen voran die Transplantationsmedizin im AKH. Aus diesem Grund wird Wien im Zuge der 15a-Vereinbarung mehr Geld für die Gesundheitsversorgung zur Verfügung gestellt, als der Stadt auf Basis ihrer Einwohnerzahl zustehen würde. Allerdings nutzen zahlreiche Patienten aus NÖ und dem Burgenland mittlerweile Wiener Spitäler auch für weniger spezialisierte Leistungen, die sie auch in ihren Heimat-Bundesländern erhalten würden – etwa Hüft-, Knie- oder Staroperationen.

Wie hoch ist der Gastpatienten-Anteil in Wien? In Wien gibt es mehrere Spitalsträger, die mit Geldern des Landes Wien finanziert werden. Dazu gehören neben den städtischen Gemeindespitälern unter anderem auch die Ordensspitäler. 2017 lag der Anteil der Gastpatienten in diesen Krankenhäusern insgesamt noch bei 22 Prozent. Bis heuer ist er bereits auf 19 Prozent gesunken. Gelungen ist das, indem man Patienten aus anderen Bundesländern darauf hingewiesen hat, nach Möglichkeit Versorgungsangebote in ihren Bundesländern zu nutzen.

Warum will die Stadt nun weitere Schritte setzen? Der Anteil von 19 Prozent ist aus Sicht der Stadt immer noch zu hoch, um die Mehrkosten in den Griff zu bekommen. Auf welchen konkreten Wert man den Gastpatienten-Anteil senken will, konnte man auf KURIER-Nachfrage im Hacker-Büro nicht sagen.

Hacker bringt einmal mehr getrennte Wartelisten für Wiener und Gastpatienten für nicht-akute Fälle ins Spiel. Wie soll das konkret funktionieren? Noch gebe es dafür kein konkretes Konzept, betont man im Hacker-Büro. In einzelnen Spezialgebieten gebe es aber schon eine Bevorzugung der Wiener Patienten. Etwa bei der Versorgung mit modernen Alzheimer-Präparaten, die derzeit nur in den Wiener Spitälern zur Verfügung stehen. Gleichzeitig betont man weiter Gesprächsbereitschaft mit den anderen Bundesländern: „Meine Tür steht für die anderen Gesundheitslandesräte offen, damit wir eine faire Lösung finden“, so Hacker.

Sind getrennte Wartelisten rechtlich überhaupt möglich? Der Wiener Medizinrechtler Karl Stöger verwies bereits im Jänner darauf, dass nach den bestehenden Regeln kein Bundesland einseitige Sonderregeln für Gastpatienten erlassen dürfe. Sollte das Wiener Landesgesetz vor dem Verfassungsgerichtshof landen, könnte dieser es aufheben.

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AKH Wien: Spitzenmedizin auch für andere Bundesländer.

Wie sind die Reaktionen? Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) hat am Montag Hacker scharf kritisiert: „Burgenländerinnen und Burgenländer dürfen nicht benachteiligt werden, denn es ist tatsächlich so, dass Patienten aus der Steiermark, aus Niederösterreich und aus dem Burgenland nach Hause geschickt werden. Diese missliche Situation werden wir nicht hinnehmen“, so Doskozil. Und er betonte: „Es gibt bei uns keine Frage nach dem Hauptwohnsitz.“

Was sagt Niederösterreich zu der Debatte? „Die Stadt Wien setzt allein auf Konfrontation zulasten der Patientinnen und Patienten, statt auf Kooperation. Das können wir als umliegende Bundesländer einfach nicht hinnehmen“, reagierte NÖ-Landesrat Ludwig Schleritzko. „Es handelt sich um ein hochkomplexes Thema, weshalb der Umgang mit Gastpatienten bereits jetzt überregional geregelt ist und im FAG finanziell abgegolten wird. Allein für das Land Niederösterreich beträgt diese Summe 500 Millionen Euro, die sich im Wiener Budget abbilden. Die Zusammenarbeit mit dem Burgenland, der Steiermark oder Oberösterreich funktioniert nach diesem Modell bereits seit Jahren. Nur die Stadt Wien und speziell Stadtrat Hacker wollen es scheinbar nicht verstehen“, so Schleritzko.

Welche Schritte will man jetzt setzen? „Wir werden rechtliche Schritte prüfen, wir haben bereits eine Kanzlei beauftragt und rufen Betroffene auf, sich bei unserem Patientenanwalt zu melden“, meinte Doskozil. Auch in Niederösterreich prüft die Patientenanwaltschaft gerade, rechtliche Unterstützung in solchen Fällen zu bieten.

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