Friseurstudio "Soft & Cut": Inklusiv bis in die Spitzen

Friseurstudio "Soft & Cut": Inklusiv bis in die Spitzen
Für viele ist der Besuch beim Friseur schlimmer als der beim Zahnarzt. Das möchte Ina Holub ändern - in ihrem Salon sollen sich alle wohlfühlen.

Eine Rampe am Eingang und eine Fotogardine, die die Sicht auf die Auslage versperrt. So sieht Ina Holubs Friseursalon "Soft & Cut" in der Kaiserstraße in Wien-Neubau von außen aus. Dahinter verbirgt sich der Traum aller Pastellfans: rosa Wandfarbe, rosa Küche und rosa sowie blaugrüne Möbel. Der Raum strahlt eine gewisse Ruhe aus und man fühlt sich, als hätte man ein Wohnzimmer - und nicht einen Friseursalon - betreten. 

Die Ausstattung des inklusiven Salons soll möglichst viele Menschen ansprechen: "Ich wollte nicht nur von meiner Lebensrealität ausgehen", erzählt die 39-jährige Inhaberin. Doch was hat rosa Wandfarbe damit zu tun?

Freie Platzwahl

Pastellfarben haben eine beruhigende Wirkung, was vor allem für neurodivergente Personen von Bedeutung sein kann. Durch die Farbwahl können für die Menschen Reize reduziert werden.  "Ich möchte einen Salon führen, in denen sich marginalisierte Personen gesehen fühlen", erklärt Holub.

Um das zu erreichen, gestaltete sie das Studio barrierefrei. Im Zuge eines Umbaus wurden der Boden abgesenkt und Wände abgetragen. Auch der Waschplatz wurde dementsprechend gestaltet, klassische Friseurstühle gibt es nicht. Stattdessen gibt es weiche, große Cordsessel ohne Armlehnen. Die Stühle sind leicht zu verschieben und ermöglichen einen flexiblen Arbeitsablauf.

Gleichzeitig profitieren auch mehrgewichtige Personen davon. "Da geht es vor allem ums Wohlfühlen. Wenn ein Stuhl nur 115 Kilogramm trägt, fühlt man sich vielleicht unwohl, darauf Platz zu nehmen oder die Armlehnen sind unangenehm", erklärt Ina Holub. Andere Stühle gebe es trotzdem zur Auswahl. "Gemütlich ist es aber auf den Couchsesseln, besonders wenn man über einen längeren Zeitraum sitzt.

Doch nicht nur auf körperliche Bedürfnisse wird bei "Soft & Cut' eingegangen. Ein häufig geäußerter Wunsch in der Konzeption des Studios kam von Personen, die Kopftuch tragen: "Ihnen ist es wichtig, dass niemand von außen hineinschauen kann. Das haben wir in der Planung berücksichtigt, damit sie sich wohlfühlen, wenn sie ihr Kopftuch für den Haarschnitt abnehmen", sagt Holub.

Wer du sein willst

Seit mehr als 15 Jahren ist Ina Holub als Friseurin tätig. Selbst ist sie aber nie gern zum Friseur gegangen. "Ich habe mich einfach nicht wohlgefühlt", erklärt sie. Von den Sitzgelegenheiten, über private Fragen zu ihrem Liebesleben bis zu komischen Reaktionen auf die Antwort, dass sie eine Ehefrau und keinen Ehemann hat - ein Friseurbesuch war nicht mit Komfort verbunden. 

Hinzu kam, dass Holub ungefragte Stylingtipps erhalten habe: "Wenn wir das so machen, wirkt dein Gesicht dünner, wurde gesagt. Ich bin zufrieden, so wie es aussieht. Da muss nichts dünner gemacht werden", sagt Holub.

Bei ihr gibt es deshalb keine ungefragten Empfehlungen. Vielmehr gehe es darum die Kundschaft dabei zu unterstützen, wer sie sein möchten. "Haare sind identitätsstiftend. Es ist das Erste, das man an einem Menschen sieht", sagt Holub. Sie werte nicht, was Personen sich wünschen. Und das kommt an: "Wenn Leute aus den Bundesländern extra für einen Friseurbesuch zu mir nach Wien fahren, zeigt mir das, dass es sehr wohl die Nachfrage gibt."

Friseurstudio "Soft & Cut": Inklusiv bis in die Spitzen

Das Haar kennt kein Geschlecht

Frauen- und Männerhaarschnitte gibt es bei Ina Holub nicht. "Haare kennen kein Geschlecht. Man soll nicht draufzahlen, nur weil man lange Haare hat", sagt sie. Außerdem gibt es Personen, die sich keinem Gender zugehörig fühlen, diese möchte Holub ebenfalls ansprechen.

Berechnet werden ihre Dienstleistungen mehr oder weniger gestaffelt, beispielsweise Trockenschnitt oder Waschen und Schneiden sowie nach Aufwand. Die Länge oder Struktur der Haare spielt dabei keine Rolle.

"Ich möchte nicht, dass meine Kundschaft finanziell bestraft wird für ihre Identität oder ihre Haarstruktur." Beispielsweise würde vor allem lockiges Haar mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Mit Haut und Haaren

Lockiges Haar sei zudem für viele Menschen eine Herausforderung. Es braucht eine spezielle Pflege - und die ist nicht überall erhältlich. "In vielen Drogerien gibt es nicht die richtigen Produkte", sagt Holub. 

"Was mich auch überrascht hat, war, dass viele Personen mit Locken noch nicht ihren Platz gefunden haben", ergänzt die 39-Jährige. Sie selbst habe diverse Zusatzausbildungen absolviert, um auch das Haar von Schwarzen oder asienstämmigen Personen richtig behandeln zu können. Zusätzlich zu den erlernten Techniken biete sie auch Produkte zum Kauf an, die es im österreichischen Handel nicht zu erwerben gibt.

"Auch im Bezug auf Hautkrankheiten ist es extrem wichtig zu wissen, wie diese bei unterschiedlichen Hauttypen aussehen können", erklärt die Friseurin. In der Ausbildung werde der Fokus nämlich nach wie vor primär auf weiße Personen gelegt. Das sei ein generelles Problem: "Auch nicht-weiße Personen haben ein Recht auf gute Beratung", sagt Holub.

Friseurstudio "Soft & Cut": Inklusiv bis in die Spitzen

Ein Platz für alle

Sie selbst kenne das Gefühl, keinen Platz in der Gesellschaft oder eben beim Friseur zu haben: "Als homosexuelle Person weiß ich, wie es ist ausgeschlossen zu werden." Deshalb sei ihr Salon ein Ort für alle.

Zusätzlich zu einer breiten Produkt- und Servicepalette bietet "Soft & Cut" sogenannte "stille Termine" an. Introvertierte oder neurodivergente Personen erhalten so die Möglichkeit einen möglichst entspannten Friseurtermin zu erleben. Die Termine können derzeit via Mail gebucht und Dinge wie Lichteinstellungen, Musikwahl und Getränkewunsch können vorab schriftlich geklärt werden. Auch die Frisurwünsche können vorab besprochen werden.

"Es geht darum Stress zu reduzieren", sagt Holub über die "stillen Termine". Wenn die Person doch reden möchte, ist das natürlich auch stets eine Option.

Ab Mitte Juni sollen die Termine auch auf der Website buchbar sein. Dort kann auch Begleitung - wie etwa menschliche oder tierische Assistenten - bekanntgegeben werden.

Ein gutes Gefühl

In Zukunft wünscht sich Ina Holub noch weitere Inklusion. Dazu zählen Blindenschrift oder eine Dolmetscherin. "Der Zuspruch, von Personen, für die mein Salon maßgeblich ist, gibt mir ein gutes Gefühl und motiviert mich zum Weitermachen." 

Kommentare