„Das ist Abhängigkeit pur“, sagt Andrea Brem, Leiterin der Wiener Frauenhäuser. Wie Angela seien viele Frauen von gewalttätigen Männern wirtschaftlich abhängig. Ohne Ausbildung, Aufenthaltstitel oder Berufserfahrung findet sich aber oft kein Job – umso schwerer ist es, sich aus der problematischen Beziehung zu lösen.
Daher eröffnete im November 2022 die Beratungsstelle „Perspektive:Arbeit“ der Frauenhäuser. Expertinnen helfen hier Frauen, die von Gewalt betroffen waren, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. 135 Erstgespräche gab es bereits, 73 Frauen wurden aufgenommen und betreut.
Job in Fast-Food-Lokal
Eine davon ist eben Angela: Sie löste sich aus der gewalttätigen Beziehung und lebte fünf Monate im Frauenhaus. Dann folgte der nächste Schritt: Mithilfe der Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle hat die 55-Jährige vor zwei Monaten einen Job in einem Fast-Food-Lokal gefunden.
Wichtig sei, auf jede Frau individuell einzugehen, erklärt Anna Kis, Leiterin der Beratungsstelle. Die Klientinnen haben unterschiedliche Hintergründe: „Manche haben noch gar nicht gearbeitet, andere als Reinigungskraft oder Küchenhilfe. Wieder andere sind ausgebildete Web-Entwicklerinnen oder waren im Marketing.“
Manche Frauen, wie Angela, müssen rasch Geld verdienen: In ihrem Fall bestand die Gefahr, ohne Einkommen den Aufenthaltstitel zu verlieren. Auch eine eigene Wohnung kann sich die 55-Jährige nun leisten. Und der Kontakt zu den Kunden tut ihr gut: „Mit ihnen kann ich reden oder auch einmal scherzen“, sagt sie und lacht.
"Was ist realistisch?"
„Andere Frauen wiederum wollen erst eine Ausbildung machen. Oder sie möchten eine Stelle finden, die besser passt“, erklärt Kis. Grundsätzlich gehe es immer darum: „Was möchte die Frau, und was ist realistisch?“
Aleksandra etwa ist 37 und stammt aus Belgrad. Sie hat dort bereits Jus studiert und Ausbildungen im Bereich Personalmanagement und -verrechnung gemacht. Als sie 2016 nach Österreich kam, zog sie zuerst in eine Wohngemeinschaft. Dort wurde sie von einem alkoholkranken Mitbewohner misshandelt. Noch heute habe sie deshalb manchmal Angst, erzählt sie. Sie war traumatisiert, mehrere Monate habe sie sich mit einem Job durchgeschlagen, der weit unter ihrer Qualifikation war, nämlich als Reinigungskraft.
Stelle im Büro gesucht
Nachdem sie ihre Erlebnisse mit dem gewalttätigen Mann verarbeitet hat, möchte sie auch beruflich neu durchstarten: „Ich würde gerne in einem Büro arbeiten“, erzählt sie. Ihre Betreuerin in der Beratungsstelle habe ihr geholfen, Lebenslauf und Bewerbungsschreiben besser zu formulieren. „Und bei einem Job stehen Aleksandras Chancen schon ganz gut“, verrät Kis.
Die Beratungsstelle kooperiert mit dem AMS, mit Frauenbeschäftigungsprojekten und Gewaltschutzeinrichtungen, aber auch mit verschiedenen Unternehmen – etwa Reinigungsfirmen oder einer Bäckerei. „Wir freuen uns auch über weitere Firmen, die bereit sind, mit uns zu kooperieren. Wir können jedenfalls mit Sicherheit sagen, dass unsere Klientinnen arbeiten wollen“, betont Anna Kis.
Wichtig sei, dass ein neuer Job auch Selbstvertrauen gebe, fügt Brem hinzu: „Man sieht, dass man etwas leistet, etwas aus eigener Kraft schafft.“ Denn dann finde man auch eher die Kraft, sich aus einer problematischen Beziehung zu lösen.
Fakten
Kontakt Die Beratungsstelle „Perspektive:Arbeit“ ist für alle Frauen ab 16 Jahren offen, die Gewalt erlebt haben. Das Projekt der Frauenhäuser Wien wird vom AMS unterstützt
Angebot Geholfen wird u. a. bei der Berufsorientierung, beim (Wieder)-Einstieg, bei der Anerkennung von Ausbildungen oder allgemein bei Problemen am Arbeitsplatz
Terminvereinbarung Die Beratungsstelle befindet sich in der Vivenotgasse 53, 1120 Wien. Terminvereinbarung unter 01/4380055 oder per eMail unter office_ams@frauenhaeuser-wien.at
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