Foodsharing: Essen muss nicht im Müll landen

Müllmann Werner Albrecht sieht täglich, wie viele Lebensmittel im Abfall landen. Mit seinem Fairteiler reduziert er diese Menge.
Reste der weihnachtlichen Festtagstafel können über sogenannte Fairteiler verschenkt werden.

Werner Albrecht lebt vom Müll. In doppelter Hinsicht. Zum einen arbeitet der 50-jährige Favoritner bei der Müllabfuhr der Wiener MA48. Zum anderen ernährt er sich von Lebensmitteln, die anderswo im Abfall landen würden. Und nicht nur sich.

Mit transportgeschädigten oder leicht abgelaufenen Waren und übrig gebliebenen Gerichten, die er von Geschäften, Lokalen oder auch Hotels gratis bekommt, befüllt er mehrmals in der Woche ein Regal und einen Kühlschrank in einer Garage in der Köglergasse 11. Von dort kann sich jeder Obst, Gemüse, Getränke oder eben fertig zubereitete Speisen abholen. Ohne Mengenbeschränkung und zum Nulltarif. „Hauptsache, die Lebensmittel landen nicht im Müll“, meint Herr Albrecht.
Regal und Kühlschrank sind ein sogenannter Fairteiler. Jeder kann davon profitieren. Und jeder ist eingeladen, seine Nahrungsmittel zu teilen. Ein System, das gerade nach den Feiertagen dazu beitragen kann, die Essensreste im Müll zu reduzieren. 32 Fairteiler gibt es in Wien bereits. Wo genau und wann sie zugänglich sind, ist über www.foodsharing.at zu erfahren.

So funktioniert es

Wer (noch genießbare) Reste der Festtagstafel nicht wegwerfen möchte, kann sie einfach in wegwerfbaren Behältnissen in einen der Fairteiler stellen. Herr Albrecht rät bloß dazu, das Datum der Zubereitung und die Inhaltsstoffe auf einem Etikett zu vermerken. Etwa, ob die Speise Fleisch enthält oder auch für Vegetarier geeignet ist.

Abgeholt werden die Lebensmittel von Menschen aus allen Bevölkerungsschichten, sagt der „Foodsaver“. Vor allem von Leuten, denen nicht viel Geld im Börsel übrig bleibt. „Mit dem Mercedes bleibt jedenfalls keiner bei mir stehen.“

Für Albrecht ist die Rettung von Lebensmitteln mittlerweile zum Lebensmittelpunkt geworden. Auch bei tiefen Temperaturen holt er die Sachspenden mit einem Lastenfahrrad ab, ein eigenes Auto besitzt er gar nicht. Sollten es die zur Verfügung gestellten Kapazitäten erfordern, leiht ihm die MA48 einen Dienstwagen. Und was er sich durch Foodsharing erspart, steckt er wieder in das System. Etwa, indem er in Kühlschränke für andere Fairteiler, in Büromaterial oder in Infostände investiert.
Verein sind die ehrenamtlichen Foodsaver keiner. Als basisdemokratische Initiative, die vor fünf Jahren in Berlin gegründet wurde und ein halbes Jahr später auch in Wien auftrat, informieren sie Interessenten aber über die Möglichkeiten des Foodsharings (siehe Kasten) oder helfen bei der Organisation der Kühlschränke. Kommuniziert wird unter anderem über die „Foodsharing“- bzw. „Foodsharing Wien“-Gruppe auf Facebook.

Bundesweit sind aktuell 2131 Foodsaver registriert, 1227 in Wien. In den Bundesländern sind sie unterschiedlich stark aufgestellt. Während etwa die Steirer sehr aktiv sind, gebe es im Burgenland diesbezüglich noch viel Luft nach oben, sagt Albrecht.

Natürlich hat aber nicht jeder der 2131 einen öffentlich zugänglichen Fairteiler. Die meisten sammeln einfach Lebensmittel und verteilen sie in ihrem Umfeld.

Die Zahlen sind alarmierend: Pro Jahr landen in Österreich im Schnitt 157.000 Tonnen Lebensmittel im Restmüll von Privathaushalten. Das sind pro Kopf zwölf Kilo jährlich. Oder anders gesagt: 400 Euro pro Haushalt.

Gegensteuern kann jeder einzelne. Etwa durch Sachspenden haltbarer und originalverpackter Lebensmittel an Caritas, Diakonie, Arbeiter-Samariter-Bund und Co. Oder eben durch Foodsharing (siehe Hauptgeschichte).

An Veranstalter größerer Feste – vom runden Geburtstag bis zur Firmenfeier – richtet sich ein Angebot der „Wiener Tafel“. Die Sozialspedition, die große Lebensmittel-Spenden von Einzelhandelsketten an Sozialeinrichtungen liefert, kann mit vergleichsweise „kleinen“ Sachspenden zwar nichts anfangen. Zum einen mangels Effizienz. Zum anderen, weil Hilfsorganisationen aus Rücksicht auf Hygiene und Haltbarkeit keine fertig zubereiteten Speisen übernehmen und verteilen dürfen.

Biologisch abbaubar

„Wir wollen aber bewusst machen, dass das Wegwerfen aufwendig zubereiteter Speisen ökologisch sinnlos ist“, sagt Wiener-Tafel-Sprecher Markus Hübl. Deshalb wurde die Tafelbox entwickelt. Dabei handelt es sich um eine biologisch abbaubare, verschließbare Box, in der Essensreste vom Buffett mit nach Hause genommen werden können. Erhältlich ist sie über die Kastner-Gruppe.

Der „Wiener Tafel“ geht es aber nicht nur um Müllvermeidung, sondern auch darum, das Bewusstsein für Armut zu schärfen. Darum gehen pro Box, die im Einkauf 50 Cent kostet, 20 Cent an österreichische Tafel-Organisationen.

Foodsharing: Essen muss nicht im Müll landen
Die Tafelbox: Ein Teil des Verkaufserlöses wird gespendet.

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