Fluglärm-Opfer überlegen neue Klage gegen Republik

Der Stein des Anstoßes: der Flughafen Wien-Schwechat.
Musterprozess gegen Staat und Behörde könnte wieder gestartet werden.

Rückenwind verspürt man bei der Antifluglärmgemeinschaft – kurz: AFLG – ob der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. War man doch erste Beschwerdeführerin im Verfahren. Der Bund aus Bürgerinitiativen und Privatpersonen hatte aber auch, wie berichtet, eine Sammelklage gegen Republik und Land Niederösterreich angestrebt, weil man die zunehmende Emissionsbelastung der Bevölkerung sowie die "Entwertung von Grundstücken" auf den ohne UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung) erfolgten Ausbau des Airports inklusive Skylink zurückführt. Basis dafür sollte der Musterprozess von Ärztin Jutta Leth sein.

Der gelangte zwar bis zum EuGH, scheiterte letztlich aber vor den österreichischen Gerichten – zu einer Sammelklage kam es deshalb erst gar nicht. Das könnte sich nun ändern, wie AFLG-Anwalt Wolfram Proksch erklärt.

Beschwerde bei EU-Kommission?

Laut dem Juristen rechtfertigten die Zivilgerichte die Abweisung der Klage im Musterprozess mit der (damals noch gar nicht rechtskräftigen) Genehmigung der dritten Piste in erster Instanz. "Weil die 3. Piste im UVP-Verfahren in erster Instanz genehmigt worden sei, wären auch alle vorangehenden Ausbauten genehmigt worden". Da dieses Argument mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nun wegfalle, überlege man eine neue Klage.

Fluglärm-Opfer überlegen neue Klage gegen Republik
ABD0107_20160608 - WIEN - ÖSTERREICH: Der von NEOS nominierte Kandidat Wolfram Proksch am Mittwoch, 8. Juni 2016, im Rahmen des öffentlichen Hearings zur Wahl des Rechnungshofpräsidenten im Parlament in Wien.. - FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
Zudem könnte ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Republik Österreichs angeregt werden, sagt Proksch – „weil die österreichischen Gerichte jahrelang tolerieren, dass Behörden Ausbaumaßnahmen ohne UVP genehmigen“.

Die „mutige Entscheidung der Richter, trotz des enormen politischen Drucks das Projekt zu stoppen“, lobt auch die „Vereinigung der Bürgerinitiativen im Verfahren zur dritten Piste am Flughafen Wien“ um Rechtsanwältin Susanne Heger. Dem Steuerzahler bleibe so eine weitere Subventionierung der Luftfahrt erspart. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Erkenntnis mehrfach erwähnt, dass die Luftfahrtbranche kaum zum Steueraufkommen beitrage (USt-Befreiung für Flugtickets bei gleichzeitigem Vorsteuerabzug, keine Mineralölsteuer auf Kerosin, Grundsteuerbefreiung für den Flughafen). Die Flugabgabe sei bereits „lächerlich gering“ und solle ab 2018 halbiert werden. Außerdem erspare die Gerichtsentscheidung den Steuerzahlern das Risiko, dem Flughafen finanziell unter die Arme greifen zu müssen, wenn sich die Flughafen Wien AG mit der 3. Piste verspekuliere.

Bürgerinitiativen für die 3. Piste

Das will die Flughafen Wien AG so nicht stehen lassen. Tatsächlich leiste die Branche jährlich rund 1,6 Mrd. Euro an Steuern und Sozialabgaben an die Republik Österreich.

Zudem sei besagte "Vereinigung der Bürgerinitiativen" nicht repräsentativ für alle Betroffenen, heißt es in einer Aussendung des Airport-Managements. Der Großteil der Bürgerinitiativen in Wien und Niederösterreich sowie alle zehn Anrainergemeinden im UVP-Verfahren hätten sich nicht gegen eine 3. Piste ausgesprochen, wird betont. Vielmehr hätten sich 15 Bürgerinitiativen sowie alle zehn Anrainergemeinden mit dem Flughafen, der Austro Control und der AUA auf Maßnahmen zur Reduktion des Fluglärms und Beschränkungen der Nachtflüge geeinigt.

Diese Darstellung wiederum stößt so manchen Anrainer-Vertreter sauer auf - wenn er auch im Dialogforum mitarbeitet. Wie etwa Alfred Höllriegl, dem ehemaligen Obmann der ARGE Fluglärm. Das ebendort beteiligte "Bürgerforum Haslau Maria-Ellend", habe sich beispielsweise "immer klar gegen eine dritte Piste ausgesprochen". Man habe lediglich in der Mediation und auch heute noch im Dialogforum mitgearbeitet, "um die Auswirkungen einer dritten Piste so gering wie möglich zu halten".

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