Flüchtlinge beim Canisibus: "Wir wollen etwas zurückgeben"
Als Marina (36) merkt, dass der Canisibus, der Suppenbus der Wiener Caritas, für die Zeitung fotografiert wird, beginnt sie zu erzählen. Wie sie im Alter von 13 Jahren ihre heroinabhängige Mutter identifizieren habe müssen, nachdem diese an einem goldenen Schuss gestorben war. Wie sie ein türkischer Taxler auf die Floridsdorfer Brücke gelegt habe, ihr mit den Reifen auf die Zehen gefahren sei und sie dann vergewaltigt habe. Warum die linke Seite ihres Kopfes kahl ist, und ihr Haar auf der rechten Seite strähnig nach unten hängt. "Weil ma mei Oida die Haar’ so ausg’rissen hat."
Marina ist betrunken, als sie das erzählt. Und schwanger. Sie wohnt bei ihrem Freund, ist nicht gemeldet, hat zwei Kinder aus früheren Beziehungen, die nicht bei ihr leben. "Weißt", sagt sie. "Ich bin nicht gegen Ausländer, bei Gott nicht. Aber die kommen zu uns und kriegen alles. Und ich, ich hab’ nichts."
Marina weiß nicht, dass die Tomatensuppe, die sie Mittwochabend beim Canisibus der Caritas am Schedifkaplatz in Wien-Meidling bekommen hat, von Ausländern für sie gekocht wurde.
Dankbarkeit
Jeden Samstag begleiten Jaafar Bambouk (18) und sein Vater Azad (54) den Suppenbus der Wiener Caritas auf seiner Tour vom Bahnhof Meidling zum Hauptbahnhof, Karlsplatz und Westbahnhof. Diese Woche waren sie auch am Mitwoch gemeinsam mit den freiwilligen Helferinnen Sylvia und Brigitte unterwegs, um Tomatensuppe mit Nudeln auszugeben.
"Ich war zu Hause ein Jahr lang nicht in der Schule und ich konnte nur selten das Haus verlassen." In Österreich habe er sich nach langer Zeit wieder sicher gefühlt.
Seit sein Vater, ein Hautarzt, gemeinsam mit Jaafars Mutter und Bruder vor zwei Jahren ebenfalls nach Österreich gekommen ist, hilft auch er jeden Samstag. "Wenn man auf traurige Gesichter ein Lächeln zaubert, kommt man in den Himmel", sagt der 54-Jährige. Der Gedanke daran sei seine Motivation. "Ich mache das, was ich kann" , sagt Azad Bambouk. Weil er Herzprobleme hat, kann er den schweren Suppentopf nicht heben und verteilt stattdessen Brot und Löffel. Die "Stammkunden" am Karlsplatz kennen die beiden Syrer bereits. "Der Mama geht’s eh auch gut?", fragt Susi und Azad nickt. Susi kommt seit vielen Jahren jeden Abend zum Suppenbus. Sie war Straßenkehrerin bei der MA48, hat eine Wohnung, aber zu wenig Geld für Lebensmittel. "Super schmeckt’s heut’", sagt sie. Und die Helfer lächeln.
Hehres Ziel
Im Sommer sind mehr Menschen auf den Suppenbus angwiesen, als im Winter. Denn da essen viele Klienten in den Notquartieren.
Aber als er dann länger darüber nachgedacht habe, sei er zu einem anderen Befund gekommen: "Ich kann die Situation dieser Menschen zumindest ein bisschen verbessern."
Zahlen & Fakten zum Canisibus:
Jeden Abend kochen Freiwillige der Wiener Caritas eine
Suppe für bis zu 400 Personen. An acht Standorten in Wien wird sie an Obdachlose und Menschen, die sich kein Essen leisten können, ausgegeben. 2016 wurden 97.061 Teller Suppe verteilt, heuer sind es bisher 60.173, im Durchschnitt 248 Teller Suppe pro Abend. Die meisten (474) wurden am 28. Juli ausgegeben.
Gebraucht werden leere, saubere 1/2-Liter-Gläser mit Deckel, saubere Joghurtbecher, haltbare Lebensmittel (Trockenbohnen und -linsen, Suppennudeln, pflanzliches Speiseöl, griffiges Mehl, Langkornreis, Pfeffer, Loorbeerblätter, Kaffeebohnen, Haltbar-Milch), Süßigkeiten
Spendenkonto:
BIC: RZBAATWW
IBAN: AT16 3100 0004 0405 0050.
Kennwort: Canisibus
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