Wiens Finanzstadträtin Novak: "Es wird keine Doppelbudgets mehr geben"

Die neue Wirtschafts- und Finanzstadträtin Barbara Novak (SPÖ) im Antrittsinterview.
KURIER: Sie waren bisher Landesparteisekretärin der Wiener SPÖ. Was befähigt Sie zur Wirtschaftsstadträtin?
Barbara Novak: Einerseits habe ich schon sehr lange Erfahrungen mit dem Wiener Gemeinderat und war die letzten Jahrzehnte Mitglied des Finanz- und Wirtschaftsausschusses. Ich habe eine wirtschaftliche Schule absolviert und eine Zeit lang auch in der Gastronomie und im Tourismus gearbeitet, was kein Fehler ist, nachdem ich auch für den Tourismus verantwortlich bin. Nachdem mich das Soziologie-Studium als Zahlen-Fuzzi ausweist und ich mich den validen Zahlen sehr verpflichtet fühle, wird das vor allem mit den Budget-Fragen sehr gut gehen.
Ihr Job in der starken, roten Landesorganisation war sicher, als Wirtschaftsstadträtin in dieser volatilen Zeit, ist das Risiko zu scheitern höher. Warum tun Sie sich das an?
Man kann auch als Landesparteisekretärin scheitern. Ich bin überzeugt mit dem Fokus und der Disziplin, die ich habe, dass wir das gut meistern werden.
Haben Sie gezögert, den Job zu übernehmen?
Nein. Ich habe auch meinen Mann nicht vorher gefragt.
Dem roten Wien wird oft vorgeworfen, nicht haushalten zu können. Wo muss Wien besser werden?
Wien haushaltet sehr gut. Im operativen Budget decken sich unsere Ausgaben und unsere Einnahmen. Im Bereich des Finanzierungsbudgets sind wir zu dem Defizit gekommen, über das wir jetzt diskutieren. Wir haben 2023 für 2024 und 2025 ein Doppelbudget erarbeitet. Das muss man in einer dynamischen Zeit, wo sich durch die Teuerung auch Preise, Betriebs- und Personalkosten entwickeln, wieder ändern. Es wird keine Doppelbudgets mehr geben.
Jetzt gibt es aber besagtes Defizit.
Die letzte Bundesregierung hat die Teuerung leider wirklich durchrauschen lassen. Mit allen Städten und Gemeinden eint uns, dass gerade in den Betriebskosten und in den Personalkosten Steigerungen verursacht wurden, die so nicht einpreisbar waren. Und zusätzlich sehen wir, dass wir leider aufgrund der wirtschaftlich schlechten Entwicklung bundesweit Mindereinnahmen zu erwarten haben. Das werden für das heurige Jahr 500 Millionen Euro sein. Das ist für uns eine große Herausforderung.
Was hat Wien für eine Handhabe?
Einerseits werden wir einfordern, dass die Finanzierung des Bundes auch gegeben ist. Ich beobachte, dass es neue Einnahmen gibt, die der Bund lukriert, die nicht in die Verteilung gehen. Ich meine damit zum Beispiel die Bankenabgabe und dann hat uns schon sehr überrascht, dass die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge bei den Pensionistinnen und Pensionisten nicht in die Verteilung des Gesundheitssystems kommt. Das sind Maßnahmen, die so nicht gehen. Wir wollen aber auch unseren Beitrag leisten zur gesamten Stabilisierung des Bundesbudgets.
Jetzt sind wir beim Knackpunkt. Wo werden Sie sparen?
Wir werden jeden Stein in die Hand nehmen und überlegen: Braucht es das noch oder nicht? Welche Wertschöpfung würden wir lukrieren? Und dann entscheiden, ob wir das fortführen oder nicht. Es wird eine Redimensionierung von Strukturen und Projekten geben müssen.
Gibt es schon etwas Konkretes?
Ausgabenseitig haben wir bei den noch laufenden Subventionen für dieses Jahr bei den Förderungen schon 10 bis 15 Prozent eingespart. Einnahmenseitig kann ich für meinen Bereich ankündigen, dass bei der Ortstaxe eine Valorisierung stattfinden wird. Wie hoch, das schauen wir uns gerade an. Auch bei den Ländengebühren bei der Schifffahrt gibt es durchaus Anpassungsbedarf. Wir haben sehr viel in die Infrastruktur an der Donaulände investiert und das sollte sich auch dementsprechend widerspiegeln. Und dann müssen wir bei den Tagestouristen und den Bussen noch an ein paar Schrauben drehen.
Ist bei der Mindestsicherung schon klar, wie es jetzt weitergehen wird?
Wir sind in ganz intensiven Gesprächen mit dem Bund. Es ist unser gemeinsames Bestreben, eine bundeseinheitliche Lösung zu finden.
Wie realistisch ist eine bundesweite Regelung? Davon redet man doch schon seit Jahren.
Wir wollen der noch neuen Bundesregierung und uns schon ein paar Monate die Chance geben, das zu erarbeiten. Ende des Jahres werden wir wissen, ob es eine wirkliche Möglichkeit gibt, eine bundeseinheitliche Regelung zu schaffen. Wenn das nicht der Fall ist, dann wird Wien einen Wiener Weg finden, der vielleicht ein Vorbild für den ganzen Bund ist. Das soll ja schon mal vorgekommen sein.
Auf die Deadline Ende des Jahres kann ich Sie festnageln?
Ja. Ende des Jahres wissen wir, ob wir selber etwas machen müssen oder ob wir bundeseinheitlich etwas zusammenbringen.
Politik
Barbara Novak (SPÖ) war seit 2001 Landtagsabgeordnete und wurde 2018 zur Landesparteisekretärin gewählt.
Nun hat sie das Amt der Wirtschafts- und Finanzstadträtin übernommen. Sie gilt als enge Vertraute von Bürgermeister Michael Ludwig.
Privat
Privat lebt die 48-Jährige in einer Patchwork-Familie,
liest gerne Thriller und hat eine Schwäche für den
Lyriker Rainer Maria Rilke.
Der Bürgermeister hat angedeutet, dass das 365-Euro-Öffi-Ticket teurer werden könnte. Wissen Sie schon, wie teuer?
Das zuständige Ressort schaut sich das gerade sehr intensiv an. Wir diskutieren gerade über eine ganze Bandbreite von Mobilitätsgebühren, da gehört auch die Parkometerabgabe dazu. Im Bund wurde das Klimaticket stark valorisiert. Ich glaube nicht, dass wir so weit gehen müssen wie beim Klima-Ticket, aber wir sind im Augenblick ergebnisoffen.
Um den Standort zu erhalten, muss man auch Geld investieren. Wie entscheiden Sie, wo investiert wird und wo nicht?
Projekte, die schon in der Vergabe waren oder schon im Bau sind, werden wir natürlich versuchen, fortzuführen. Das hat auch etwas mit Vertragstreue und einer gewissen Planbarkeit zu tun. Das betrifft etwa den Fernbus-Terminal. Das ist sicher eines der Projekte, die weiter verfolgt werden. Der U-Bahn-Ausbau ist etwas, das uns intensiv beschäftigt. Da stellt sich die Frage, ob man die richtige Waage beim Tempo findet, um einerseits das Budget mitzutragen, andererseits aber auch um die Bauwirtschaft weiter zu unterstützen.
Das heißt, der U-Bahn-Bau könnte sich verzögern?
Zum heutigen Zeitpunkt würde ich das nicht sagen. Es ist aber tatsächlich so, dass die Finanzierung der zweiten Ausbaustufe mit dem Bund noch gar nicht fertig verhandelt ist. Da steht also auch noch einiges an.
Im Gemeinderat haben Sie am Montag gesagt, Gewaltschutz für Frauen ist gesichert. Hier wird nicht gespart?
Da wird sicher nicht geschraubt. Finanzpolitik hat auch viel mit Frauenpolitik zu tun. Eine gute Finanzpolitik kann eine gute Gleichstellungspolitik sein. Wenn Frauen ein gutes Einkommen haben, können sie selber entscheiden. Und das ist die beste Gewaltprävention, weil sie sich von potenziellen Tätern schneller befreien können. Gleichzeitig gilt, dass, wenn der Fall eintritt, dass eine Frau von Gewalt bedroht oder betroffen ist, dann soll sie weiterhin Gewaltschutzeinrichtungen vorfinden.
Innerhalb der Ressorts hat sich was verschoben, die Stadtwerke sind zu Mobilitätsstadträtin Ulli Sima gewandert. Sind Sie froh darüber oder fühlen Sie sich in Ihrer Macht beschnitten?
Ich bin dem Bürgermeister sehr dankbar, dass er das so entschieden hat, weil jetzt alle Mobilitätsfragen in einer Hand sind. Kollegin Sima ist sehr erfahren und wird das großartig machen.
Eine Frage an die Finanzstadträtin: Wissen Sie, wie viel ein Liter Milch kostet?
Es kommt immer darauf an, welche Milch. Ich trinke laktosefreie Milch, die ist ein bisschen teurer geworden. Ich würde sagen, bei der günstigsten etwas über einen Euro.
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