Wie Wiens Schulden außer Kontrolle gerieten

Der Rechnungsabschluss zählt wohl zu den unangenehmsten Aufgaben eines Wiener Gemeinderats: Die Budgetmaterie ist vielen entweder zu trocken, zu kompliziert oder generell zu undurchsichtig; die Sitzungen erststrecken sich gleich über zwei Tage und meist bis tief in die Nacht hinein; es ist oft drückend heiß, während die Gedanken der Abgeordneten längst Richtung Sommerferien schweifen.
Und doch ist der Rechnungsabschluss die vielleicht wichtigste Sitzung des Jahres, denn wie im Bund gilt auch für Wien, dass das Budget die in Zahlen gegossene Politik ist. Daher wird man kommenden Montag und Dienstag – auch das analog zum Nationalrat – viel zu bereden haben, denn die Zahlen der Bundeshauptstadt sind doch recht alarmierend.
Im Zuge des Rechnungsabschlusses für 2024 hat die Wiener ÖVP den Rathaus-Etat näher unter die Lupe genommen und einige (nicht nur für sie) dramatische Eckpunkte herausgefiltert:
Schuldenstand verdoppelt
In den vergangenen fünf Jahren der rot-pinken Stadtregierung hat sich der Schuldenstand Wiens verdoppelt – nämlich von 7,79 Milliarden Euro (2020) auf prognostizierte 15,74 Milliarden (2025).
Rekord-Neuverschuldung
Absolut gesehen wurde bei der jährlichen Neuverschuldung ein Rekord nach dem anderen gebrochen: Die bisherige Negativmarke von 2010 (-1,2 Milliarden) wurde zuletzt von SPÖ und Neos in vier von fünf Jahren übertroffen: 2024 betrug das Defizit 1,77 Milliarden – und 2025 soll es mit befürchteten 3,8 Milliarden vollends aus dem Ruder laufen.
Die „Fieberkurve“ des Wiener Schuldenbarometers (siehe Grafiken) zeigt deutlich, wie die Finanzen in den Nullerjahren noch stabil waren, dann das Minus Jahr für Jahr größer wurde, ehe es in den 2020er-Jahren – auch dank Corona, Inflations- und Energiekrise – steil nach oben ging. Nur 2022 fiel mit einem Überschuss von rund 250 Millionen aus dem Rahmen.
Einnahmen sprudelten
Bemerkenswert ist für die ÖVP ferner, dass die Einnahmen Wiens 2024 ebenso auf einem Rekordniveau waren und sogar die Prognosen übertrafen: 7,98 Mrd. Euro gab es vom Bund (Ertragsanteile laut Finanzausgleich), zusammen mit den eigenen Gebühren und Abgaben waren es insgesamt 10,37 Milliarden. Trotzdem war das Defizit groß wie nie.
Rücklagen aufgelöst
Dabei ging man auch ans Eingemachte, indem man mehr als 500 Millionen Euro an Rücklagen auflöste (mehr als ein Viertel der Gesamtrücklagen Wiens).
Weniger investiert
Unter den Erwartungen blieben indes die Investitionen: Eigentlich wollte Rot-Pink im Vorjahr 2,45 Milliarden in die Wirtschaft pumpen – geworden sind es „nur“ 2,34 Milliarden.
Teure Mindestsicherung
Ein enormer Kostentreiber ist bekanntermaßen die Mindestsicherung: 2025 soll sie bereits 1,23 Mrd. Euro verschlingen (2020 waren es noch weniger als 700 Millionen). Die eigene Finanzabteilung hat bereits entsprechend gewarnt.
Angesichts der Zahlen fordert ÖVP-Klubobmann Harald Zierfuß rasch Reformen ein: „SPÖ und Neos haben Wien verantwortungslos in eine ernste finanzielle Schieflage gebracht. Wir steuern mit voller Fahrt auf einen finanziellen Kollaps zu.“ Zugleich sei die Koalition im Schlafwagen unterwegs, statt zu handeln: „Das Regierungsprogramm bleibt jede konkrete Antwort schuldig“, rügt Zierfuß.
Erste Sparmaßnahmen
Was sagt die neue SPÖ-Finanzstadträtin Barbara Novak dazu? Vorerst nichts, denn ihr Büro verweist auf ihre Rede am Montag im Gemeinderat. Laut Programm der „Aufschwungskoalition“ will man die Schulden „im Einklang mit den europäischen Fiskalregeln“ bis 2031 in den Griff bekommen. Der „Haushalt mit Haltung“ soll dann „überwiegend mit ausgabenseitigen Maßnahmen“ saniert sein.
Die ersten Budgetverhandlungen sollen im Sommer starten. Durchgesickert ist bereits, dass die Öffi-Jahreskarte und das Parkpickerl teurer werden. Auch der extrem kostspielige weitere U-Bahn-Ausbau steht vor der Verschiebung.
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